KT ante portas: Alles wieder gutt?

Karl Theodor zu Guttenberg macht wieder Wahlkampf in Bayern und ist von Horst Seehofer, wie man lesen kann, bereits als CSU-Minister in Berlin vorgesehen. Nachdem der fränkische Freiherr sich vor ca. 6 Jahren für ein derartiges Amt gründlich disqualifiziert hatte, drängt sich die Frage auf, warum er denn heute dafür geeignet sein sollte. Erleben wir einen grundlegend geläuterten KT, oder droht ein zweites Mal die Verwechslung von Inhalt und Verpackung? – Reminiszenzen an einen gescheiterten Politiker und Impressionen vom heutigen Wahlkämpfer (mit einem Seitenblick auf Max Frischs Roman „Stiller“).

Karl-Theodor zu Guttenberg

Karl Theodor zu Guttenberg steht möglicherweise vor seinem Comeback in die Bundespolitik. Sein früherer Ziehvater Seehofer lobt ihn im „Spiegel“ über den grünen Klee und will „den hervorragenden Politiker“ wieder als Minister in Berlin sehen („der spielt in einer ganz eigenen Liga“). CSU-Wähler in seiner fränkischen Heimat stürmen die Bierzelte, wenn KT, wie sie ihn nennen, Wahlkampfauftritte für seine Partei zelebriert. Sie bejubeln ihn wie damals, als der Freiherr zwei Jahre lang der Shooting Star der deutschen Politik war, mit Popularitätswerten, die jene der Bundeskanzlerin weit übertrafen.

Vor sechseinhalb Jahren dann der tiefe Fall: Man wies dem Überflieger nach, dass seine gesamte Doktorarbeit im Wesentlichen eine Collage aus Texten anderer Wissenschaftler war, die Guttenberg z.T. seitenweise wörtlich übernommen hatte. „Ein deprimierend eindeutiger Fall eines Plagiats“ (Norbert Lammert). Der Freiherr versuchte sich damit herauszureden, er habe infolge Arbeitsüberlastung den Überblick über seine Textdateien verloren und fremde Texte nicht mehr von seinen eigenen unterscheiden können. Während seine Fangemeinde weiterhin fest zu ihm hielt (ein Phänomen, das man auch von Donald Trump kennt), regte sich vor allem in akademischen Kreisen rasch erheblicher Unmut über den eloquenten, charismatischen Politstar, der es bis zum Verteidigungsminister gebracht hatte.

Die Anschuldigungen waren gravierend. Der Nachfolger von Guttenbergs Doktorvater an der Universität Bayreuth, Prof. Oliver Lepsius, empörte sich öffentlich, man sei „einem Betrüger aufgesessen“, der mit einer „Dreistigkeit ohnegleichen (…) honorige Personen der Universität hintergangen“ habe. Es sei absurd, dass Guttenberg nicht wahrhaben wolle, vorsätzlich getäuscht zu haben: „Der Minister leidet unter Realitätsverlust. Er kompiliert planmäßig und systematisch Plagiate, und behauptet, nicht zu wissen, was er tut.“ Hier liege „die politische Dimension des Skandals„: die unverantwortliche vorgeschobene Ahnungslosigkeit, das mangelnde Unrechtsbewusstsein des Freiherrn sowie dessen Realitätsverlust ließen sich mit einem Ministeramt nicht vereinbaren. Die Plagiatsfrage werde zur Charakterfrage.

Guttenbergs Rücktritt war schließlich unumgänglich, lediglich den Marsch, der ihm beim Großen Zapfenstreich geblasen wurde, durfte er sich noch aussuchen. Der Doktortitel wurde ihm von der Universität Bayreuth aberkannt.

„Hang, die Wahrheit zu biegen“

Der Frage nach dem Charakter, nach der Persönlichkeit, nach dem wahren KT gingen investigative Journalisten indes weiter nach. Es gab nämlich ein Dissonanzerlebnis: Da war einerseits das öffentliche Bild des smarten, intelligenten und in der Bevölkerung überaus beliebten Politikers, der schon als möglicher Nachfolger Angela Merkels gehandelt wurde. Andererseits verdichteten sich die Hinweise, dass in dem Freiherrn in Wahrheit ein chronischer Blender mit einer gehörigen Neigung zum Hochstapler steckte. Nachdem man beispielsweise seinen offiziellen, auf seiner Internetseite veröffentlichten Lebenslauf einem Faktencheck unterzogen hatte, konstatierte die „Zeit“ unter der Überschrift „Der Lügenbaron“ bei Guttenberg einen „Hang, die Wahrheit zu biegen“:

„Bereits zum Beginn seiner Amtszeit als Wirtschaftsminister strapazierte er die Wahrheit: „Ein teilwirtschaftliches Fundament durfte ich mir in der Zeit vor der Politik bereits aneignen durch die Verantwortung, die ich im Familienunternehmen getragen habe“, sagte er damals. Das klingt erfahren und seriös. Guttenberg führte tatsächlich die Guttenberg GmbH, ein Unternehmen mit drei Mitarbeitern, das 2000 einen Jahresumsatz von gerade einmal 25.000 Euro erwirtschaftet haben soll. Der CSU-Politiker berichtete zudem, er habe von 1996 bis 2002 dem Aufsichtsrat der Rhön-Klinikum AG angehört. Aktiv oder engagiert soll er in dem Gremium jedoch nie gewesen sein, berichteten andere Mitglieder. Die Familie Guttenberg hielt 26,5 Prozent der Stammaktien und war deswegen im Kontrollgremium vertreten. Eine eigene Leistung des Freiherrn war mit der Berufung nicht verbunden.

Das Magazin Panorama des NDR-Fernsehens spießte darüber hinaus 2009 auf, wie Guttenberg seine Berufserfahrung in der freien Wirtschaft darstellte. „Ich durfte im Zuge dessen mit teilnehmen an einem Gang, den die Familie mit begleitet hat – und zwar federführend mit begleitet hat – eines großen Konzerns, der an die Börse geführt wurde, und der ein M-Dax Unternehmen wurde. Ihnen werden die Rhön-Kliniken etwas sagen“, verkündete der Minister Anfang 2009 verschwurbelt. Die Rhön-Kliniken gingen allerdings bereits 1989 an die Börse. Das war wenige Tage vor Guttenbergs 18. Geburtstag. „Andere lernen in diesem Alter gerade Autofahren“, stellte die Panorama -Redaktion süffisant fest. In seinem Lebenslauf finden sich weitere Belege dafür, wie Guttenberg mit der Wahrheit umgeht: „Freier Journalist bei der Tageszeitung Die Welt „, steht dort. Doch beim Axel-Springer-Konzern, dem Verlag der Welt, heißt es, Guttenberg sei Praktikant in der Redaktion gewesen. Mehr könne nicht bestätigt werden. Auch weitere Stationen scheint der Politiker aufgehübscht zu haben: So berichtet die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, dass aus Praktika als Student in der Vita „berufliche Stationen in Frankfurt und New York“ wurden.“

Als schließlich noch weitere Plagiate Guttenbergs ausfindig gemacht wurden, war dessen tiefgehende Neigung, im Interesse seiner Selbstinszenierung die Wahrheit zu biegen, schön zu färben und hoch zu stapeln, unübersehbar geworden.

Auch die politischen Leistungen des zurückgetretenen Ministers wurden nun genauer unter die Lupe genommen. Es stellte sich heraus, dass es vorwiegend er selbst war, der sein Wirken als Verteidigungsminister als außergewöhnlich erfolgreich dargestellt hatte – vor allem die in seine Amtszeit fallende Abschaffung der Wehrpflicht und die von ihm eingeleitete Bundeswehrreform. Während sich erstere ohnehin schon länger abgezeichnet hatte, erwies sich Guttenbergs Planung der Bundeswehrreform als nicht machbar – ein Schuss in den Ofen, wie unter seinem Nachfolger Thomas de Maiziere bald offenkundig wurde. Sigmar Gabriel ließ es sich nicht nehmen, kürzlich zu resümieren, Guttenberg sei als Verteidigungsminister „ungefähr so sorgsam mit der Bundeswehr umgegangen wie mit seiner Doktorarbeit“.

Gleichwohl holte Horst Seehofer seinen politischen Ziehsohn aus der amerikanischen Versenkung in den Bundestagswahlkampf. Er ahnte, dass der charismatische Populist in fränkischen Bierzelten immer noch gut ankommen würde. Überdies suchte er eine weitere, ihm treu ergebene Figur für die ebenso dünne wie spannungsreiche Führungsriege der CSU.

Ministrabel durch Zeitablauf?

Dem kritischen Beobachter drängt sich eine besorgte Frage auf: Ist der Plagiator, Wissenschaftsbetrüger und gescheiterte Verteidigungsminister plötzlich wieder ministrabel, allein aufgrund des Zeitablaufs? Kann man dem smarten, eloquenten Selbstinszenierer, in dem zahlreiche CSU-Wähler immer noch ein politisches Idol sehen, wieder ein hohes Staatsamt anvertrauen? Ist er inzwischen tatsächlich der anständige Kerl geworden, als der er sich fortwährend dargestellt hat? Oder steckt in ihm immer noch der substanzlose Blender, Schwindler und Schaumschläger von damals?

Für einen Horst Seehofer sind derlei Fragen irrelevant. Wie bei Franz Josef Strauß hat Politik für ihn mit moralischen Kategorien wenig zu tun. Der bezweckte Erfolg heiligt die Mittel. Die politische Kultur bleibt auf der Strecke.

Es war übrigens Guttenberg selbst, der sich gleich in seiner ersten Rede im heimischen Kulmbach die Absolution erteilte:

„Danke, danke für diesen Empfang, den ich nie erwarten durfte und konnte. Es ist schön dahoim“, ruft Guttenberg, und der Saal tobt. Und dann, nach kaum fünf Minuten, sagt er schon jene Sätze, die an diesem Abend wohl seine wichtigste Botschaft sind und auf die auch im Publikum viele gewartet haben: „Ich habe alle Konsequenzen gezogen und ertragen. Aber ich darf auch nach so langer Zeit für mich sagen, jetzt ist auch mal irgendwann gut.“ Der Jubel der CSU-Anhänger im Saal könnte größer nicht sein: Ihr Held ist wieder da. Katharsis abgeschlossen.“ (FAZ, 31.08.2017)

Dass der frühere Spitzenpolitiker nach seinem unrühmlichen Abgang im Frühjahr 2011 Konsequenzen ziehen und ertragen musste, liegt in der Natur der Sache. Beschämt über seinen tiefen Fall tauchte er jahrelang in die USA ab. Wenn er nun suggerieren möchte, er habe für sein Fehlverhalten somit eine Strafe verbüßt und müsse jetzt als resozialisiert gelten, so ist dies ausgemachter Humbug. Und wenn er „nach langer Zeit für (sich) selbst“ meint sagen zu können, „irgendwann ist auch mal wieder gut“, dann hat er das Wesentliche nicht verstanden. Entscheidend ist seine charakterliche Eignung für ein politisches Amt. Die war damals nicht gegeben, und die erwirbt man nicht, indem man einige Jahre von der Bildfläche verschwindet. Oder hat der Freiherr die Zeit genutzt und durch einen Prozess grundlegender Läuterung und Persönlichkeitsreifung seine damalige Tricksterpersönlichkeit überwunden?

Mund abgewischt und aufgestanden

Verfolgt man die Berichterstattung über die Wahlkampfauftritte Guttenbergs, kann man daran nur zweifeln. Einige Pressezitate aus den letzten Tagen:

„KT trägt ein dunkelblaues Jackett, hat den obersten Hemdknopf offen gelassen und spricht frei, ohne Notizen: „Ich turne hier herum und nicht am Rednerpult, weil ich sonst Gefahr liefe, eine abgeschriebene Rede vorzulesen.“ Guttenberg, Entertainer und Selbstdarsteller, hat in Amerika nichts verlernt. „ (Zeit Online, 31.08.2017)

„Aber war da nicht mal was? Die abgeschriebene Doktorarbeit, der einstweilige Abschied von politischen Ämtern, die Übersiedlung in die USA? Guttenberg wandelt das heikle Thema in einen Lacher. Er begrüßt einen der anwesenden CSU-Honoratioren ausdrücklich mit dessen Doktortitel. „Da muss ich besonderen Wert darauf legen“, sagt Guttenberg. Im Zelt finden sie das witzig.“ – Ansonsten gibt sich der ehemalige Bundesminister reumütig: Er habe „dunkle Stunden“ durchlebt, die seien „selbstverschuldet“ gewesen. Nach dem Hinfallen habe er sich aber den Mund abgewischt und sei aufgestanden. Auch in diesem Motiv ist Guttenberg sehr amerikanisch: Der Mann, der nach dem Fehler eine zweite Chance verdient hat.“ (Spiegel Online, 04.09.2017)

„Zu hören ist auch, dass sich viele KT-Jubler wohl vom „von und zu“ blenden ließen. Sie gingen allzu bereitwillig darüber hinweg, wie locker und scheinbar ohne echte Reue Guttenberg heute mit seiner abgeschriebenen Doktorarbeit kokettiere.“ (Neue Presse, 08.09.2017)

„Die Neigung, Politik mit einem Touch von Theater zu verbinden – in diesem Fall Kabarett – hat der Baron konserviert. Zum Beispiel wenn er erzählt, wie US-Präsident Trump eine Glühbirne eindrehe: „Er steigt auf einen Stuhl und wartet, dass sich die Welt um ihn dreht.“ (…) Guttenberg zieht über Politiker her, Kim Jon Il nennt er einen „Dickmops mit lustigem Haarschnitt“. Sigmar Gabriel mache gerade eine „Verschlankung“ durch, er hoffe, der Außenminister fange nicht auch noch an mit Marathonläufen und ende wie Joschka Fischer als „Dörrzwetschge“. Zwischen seinen Kalauern nimmt Guttenberg sein Publikum mit auf eine Reise durch die Welt: „Wir hatten den Brexit, eine interessante Wahl in den USA, eine besorgniserregende Krise mit und um Nordkorea, der Nahe Osten steht noch immer in Flammen, Venezuela droht zu zerbröseln.“ (Zeit Online, 31.08.2017)

„Richtig laut wird es in der Halle aber besonders dann, wenn er sich als Meister der Verkürzung zeigt. Gegenüber der Türkei müsse man Härte zeigen: „Die Verhandlungen zur Zollunion mit der Türkei auf Eis legen und zwar komplett!“ Nach den G20-Krawallen gelte in Hamburg offensichtlich, Täterschutz gehe vor Opferschutz. Und klar sei für ihn: „Ein Christkindlmarkt ist kein Winterfest, ein Sankt-Martins-Umzug ist kein Lichterfest.“ Burka und Niqab hätten in Deutschland nichts verloren. (…) Dass solche mitteltiefen Weltanalysen in einer durchschnittlichen Wahlkampfrede an der CSU-Basis so bejubelt werden, zeigt auch, wie sehr die letzten Jahre an die Substanz der Partei gegangen sind.“ (Zeit Online, 31.08.2017)

Guttenberg habe einen „unglaublich großen Wortschatz, aber wenig Substanz“, lautet ein weiteres Urteil. Er sei einer für den Stimmenfang, aber keiner, dem man Partei oder Land anvertrauen sollte. Die aktuelle Heimholung und die damit verbundenen Spekulationen seien ein „typischer Seehofer“. (Neue Presse, 08.09.2017)

„Da tritt einer wegen einer gefälschten Doktorarbeit zurück, klinkt sich jahrelang aus dem politischen Betrieb aus, fliegt zu neun Wahlkampfauftritten nach Bayern ein und zieht die Massen sofort wieder in seinen Bann. Allerdings, auch das gehört zu diesem Phänomen: Je mehr der Beifall an der Basis anschwillt, desto lauter wird das Grummeln in den höheren Partei-Etagen. „Die CSU-Offiziere sehen Guttenberg deutlich kritischer als die kleinen Leute“, sagt ein Abgeordneter. Sie bezweifeln, dass Guttenbergs politische Substanz mit seiner rhetorischen Kraft mitzuhalten vermag. Auch der Missmut über Horst Seehofer wächst. (Süddeutsche Zeitung, 05.09.2017)

Denn natürlich passt eine mögliche Rückkehr nicht jedem. Die Stimmen, die Guttenberg für einen eitlen Geck ohne Format halten, gibt es auch in der CSU. (Zeit Online, 31.08.2017)

Wiederkehr des Gleichen

Max Frischs 1954 erschienener erster Roman „Stiller“ behandelt ein Thema, das den Autor zeitlebens beschäftigt hat – die Auseinandersetzung mit dem Spannungsverhältnis zwischen der objektiven Identität und den subjektiven Vorstellungen eines Menschen von sich selbst: Einerseits ist da die reale Person, deren Lebensverlauf und soziale Identität von ihren eigenen Grenzen, aber auch von dem Bild, das Andere von ihr haben, beeinflusst wird, und andererseits gibt es den Wunsch, eben nicht auf eine bestimmte Identität und Lebensgeschichte festgelegt zu sein, sondern sich jederzeit neu wählen, neu definieren zu können. Der Protagonist des Romans, Stiller, hatte sich in der Schweiz in Probleme verstrickt und war daraufhin in die USA verschwunden. Als er nach sieben Jahren zurückkehrte, behauptete er, verwechselt zu werden. Er sei nicht der gesuchte Stiller, sondern ein Mann namens White. „Ich bin nicht Stiller“, lautet der erste Satz des Romans. Er will nicht der sein, der er ist, sein früheres Leben ist ihm verhasst, er möchte noch einmal neu beginnen, als unbeschriebenes Blatt („White“), nicht festgelegt durch seine Vergangenheit. Dies erweist sich als unmöglich, denn die Gesellschaft entlässt ihn nicht aus seiner objektiven Identität als Person mit einer faktischen Lebensgeschichte. Sie schafft eine erdrückende Beweislage, der er sich schließlich beugt und sein Leben auf der Grundlage seiner realen, mit seinem ursprünglichen Namen verbundenen Identität fortsetzt.

Der Protagonist dieser Überlegungen versucht eine andere Lösung. Er war nicht vor sich selbst geflohen, wie Stiller, sondern vor uns, seinem Publikum, vor dem er sich ziemlich unmöglich gemacht und das sich „not amused“ gezeigt hatte. Zwischen ihm und uns, den Zeugen seines Scheiterns, musste erst einmal große räumliche Distanz gebracht werden. Nun, nach fast sieben Jahren, kommt er zurück auf die Bühne, probeweise. Aber er kann nur den gleichen KT geben wie damals – einen anderen, neuen, authentischen und geläuterten gibt es nicht. Also setzt er da wieder an, wo er aufgehört hat. Die gleiche Rhetorik, die gleiche Art der Selbstdarstellung: viel politischer Populismus, kaum tiefer gehende Analyse, mit jugendlich sympathischer Frische vorgetragen. Zudem werden wohlerzogener Anstand und Demut dargeboten. So wünscht sich der CSU-Wähler seinen Schwiegersohn, und so war er schließlich schon einmal erfolgreich. Dann gab’s da diesen Ausrutscher – ach, lange her. Ein bisschen Selbstironie, und schon hat er die Lacher wieder auf seiner Seite. Das ist die Lösung des Blenders, des Tricksters, des Selbstinszenierers. Zumindest im Bierzelt scheint sie zu verfangen.

Man darf gespannt sein, ob sie nur dort funktioniert, oder ob der Plan seines Steigbügelhalters Seehofer am Ende aufgeht und wir KT bald wieder in höheren Ämtern sehen. Vorerst will er jedenfalls in die USA zurückkehren.

Hier zwei Empfehlungen für seine Reiselektüre: „Inszenierung als Beruf – Der Fall Guttenberg“, herausgegeben von Oliver Lepsius und Reinhart Meyer-Kalkus, edition suhrkamp, 2011. Und den „Stiller“ von Max Frisch.

Nachtrag am 06.10.2017:

Weiter unten (s. „Außerdem“) finden Sie Hinweise auf die aktuelle Berichterstattung, die dubiose Firma Guttenbergs – Spitzberg Partners – betreffend.

Außerdem:
  • „In eigener Sache“ – Gegendarstellung von Spitzberg Partners auf der Firmenwebseite – 06.10.2017
  • Spitzberg Partners – Der unfassbare Karl-Theodor zu Guttenberg – Alex Hofmann – Gründerszene, 06.10.2017
    • „Als „Chairman & Founder“ seiner New Yorker Investmentfirma hat er sich neues Ansehen aufgebaut. Was hinter Spitzberg Partners steckt, ist schwer zu ergründen.“
    • „Spitzberg übrigens heiße die Beteiligungsfirma deshalb, weil es für Amerikaner nach Tradition klinge, nach alteingesessener Kanzlei. Das habe Geschäftsführer Gartzke schon einmal dem Spiegel erzählt. Der Name stamme von einem Berg in Guttenbergs einstigem Wahlkreis. Eigentlich sei der Spitzberg eher ein bewaldeter Hügel.“
  • Auf der Suche nach Guttenbergs Firma – Sebastian Geisler – Berliner Morgenpost, 06.10.2017
    • „Bei Comeback-Spekulationen verweist Karl-Theodor zu Guttenberg auf sein Unternehmen. Stellt man dazu Fragen, kommt Post vom Anwalt.“
    • „Laut Spitzberg-Partners-Homepage gibt es neben dem Hauptsitz in New York inzwischen „Büros und Personal“ in Toronto, Washington, Zagreb und Berlin. Adressen der Standorte gibt es nicht. Entsprechende E-Mail-Anfragen der Berliner Morgenpost bleiben zunächst unbeantwortet. Nach weiteren Nachfragen im Zuge der Recherche kommt letztlich Post von Anwalt Christian Schertz. Der Experte für Persönlichkeitsrecht von Prominenten schreibt von „Betriebsinterna“, „warnt“ vor „Falschberichterstattung“ und will „notfalls“ Gegendarstellung und Unterlassung durchsetzen.“
  • Karl-Theodor zu Guttenberg und sein verschwiegenes Unternehmen – aufschlussreiches Video zu dem Bericht der Berliner Morgenpost – 05.10.2017
  • Wischmeyer und der Freiherr – heute-show vom 15. September 2017 –  ab Min. 26:07
  • Guttenbergs Polit-Comeback: Wiedersehen mit dem Plagiator – Martin Damerow – nordbayern, 20.09.2017
    • „Verheerend auch seine Bilanz als Verteidigungsminister: Die Abschaffung der Wehrpflicht, die in seine Ägide fällt, sollte auf Biegen und Brechen schnell umgesetzt werden und ist derart mit heißer Nadel gestrickt, dass die Truppe heute noch unter den Folgen leidet. Anstatt den Auftrag der Bundeswehr neu zu definieren und diese dann über Jahre hinweg adäquat auszurüsten und auszubilden (etwa für neue Bedrohungslagen), musste ein schneller Erfolg her. Das ging nach hinten los. – Ansonsten ist in Erinnerung, dass der Mann mit dem Sonnyboy-Image durch eine Talksshow nach der anderen tingelte und bemüht war, das Image eines Machers aufrecht zu erhalten – obwohl er dem Aktionismus stets mehr verfallen war als dem profunden politischen Arbeiten. Letzteres erzeugt vielleicht zählbare Ergebnisse, aber eben wenig Glamour. Und das schien zu Guttenberg schon stets wichtig zu sein. Plagiatsaffäre hin, Plagiatsaffäre her – will man so jemandem einen Ministerposten und erneut die Verantwortung für Steuergelder übertragen? Ist das der Mann, den die Republik gerade braucht? Diese Frage beantwortet sich von selbst.“
  • Unverdiente Aufmerksamkeit – Süddeutsche Zeitung, 10.09.2017
    • „Karl-Theodor zu Guttenberg ist wieder da – und scheidet die Geister. Auf dem Gillamoos wurde er von bayerischen Fans begeistert empfangen, SZ-Leser aber zweifeln: Ist er wirklich der Hoffnungsträger, den Horst Seehofer in ihm sieht?“
  • Comeback auf Dauer? –  Ronja Dittrich und Ralf Fischer – BR, 14.09.2017
    • „Der ehemalige CSU-Hoffnungsträger und Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg tourt als selbsternannter „engagierter Bürger“ durch den bayerischen Wahlkampf. Mit im Gepäck: Unzählige Gerüchte, was er denn nun nach der Wahl Großes in der Politik werden könnte. Wahrscheinlich nicht viel.“
    • „Der Spiegel-Journalist Ralf Neukirch hat zu Guttenberg bei seinem Comeback-Versuch in Bayern beobachtet. Das Spiel Guttenbergs mit seinem eigenen Absturz – für den Journalisten reines Kalkül. „Im Grunde weist er heute noch immer auf das Plagiat hin, damit die Leute mehr aufs Plagiat gucken – was ihm ja fast alle jetzt verziehen haben. Damit die Leute eben nicht gucken, welche Bilanz hatte er eigentlich als Politiker? Die war nämlich nicht gut.“
  • Merkel lobt Guttenberg als Gesprächspartner – RP Online, 16.09.2017
    • „Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich positiv über ihren früheren Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) geäußert. Sie schätze den politischen Meinungsaustausch mit ihm, sagte die Kanzlerin.“
  • Guttenberg – ein Psychopath? (3) – Presseartikel mit psychologischem Schwerpunkt – Denkraum, 01.03.2011
  • Guttenberg – ein Psychopath? (4) – Weitere Aufklärung ist geboten – Denkraum, 05.03.2011
    • „Auch die Bundeskanzlerin erläuterte in einem Interview mit den Stuttgarter Nachrichten noch einmal ihre Haltung zu Guttenberg. Er sei ein „hochbegabter Politiker“ und ein „ausgezeichneter Minister“ gewesen. Seine „wissenschaftlichen Fehler“ hätten „nicht mit seinem Amt in Verbindung“ gestanden. Sie sei „in der Abwägung von Fehlern und Leistungen“ zu der Auffassung gekommen, „dass er weiter ein guter Minister hätte sein können“. In der politischen Bewertung zähle für sie „seine wertvolle Arbeit für die Bundeswehr, die begonnene Bundeswehrreform, sein Engagement für die Soldaten, seine klaren Worte zum Afghanistaneinsatz – das alles bleibt richtig und wichtig.“ Guttenberg habe sich „mit seiner Auffassung einer modernen Bundeswehr (…) um unser Land verdient gemacht.“ Und: „Wie groß dieses Verdienst ist, wird vielen vielleicht erst später bewusst werden.“ – Diese Bewertung und die oberflächlichen Vorstellungen Frau Merkels von den Fähigkeiten eines Ministers machen betroffen. Die fachlichen Kompetenzen Guttenbergs für seine bisherigen Ministerämter sind in Wahrheit höchst umstritten und vermutlich begrenzt; für eine Auszeichnung mit dem Prädikat „ministrabel“ fehlen ihm vor allem aber wesentliche Persönlichkeitseigenschaften, jenseits des schönen, populistischen Scheins.“
    • „Dass die deutsche Bevölkerung sich durch die boulevardgestützte Inszenierung eines geschickten Selbstdarstellers mehrheitlich blenden lässt und seiner Idolisierung anheimfällt, ist schlimm genug, wenn auch sozialpsychologisch erklärbar. Dass gestandene Politiker und sogar die Bundeskanzlerin der gleichen Fehleinschätzung erliegen, macht fassungslos. Diejenigen, die im politischen Alltag täglich mit ihm zusammengearbeitet haben, hätten die Diskrepanz zwischen Charisma und Substanz wahrlich bemerken müssen, die nüchternen externen Beobachtern längst aufgefallen war. Es sei denn, man bewertet auch auf dieser Ebene nicht die Leistung, sondern allein die Popularität und Umfragewerte.“
  • Guttenbergs Selbstbild: „Verwegene Charakter- und Lebensmelange“ – Denkraum, 08.03.2011
    • „Allzu viele mussten meine verwegene Charakter- und Lebensmelange ertragen und ich bin allen überaus dankbar für unbeugsame Gelassenheit. Gleichwohl: Wirkliche Besserung ist kaum absehbar.“ – Aus dem Vorwort zu Guttenbergs Dissertation
  • „Guttenberg – Schön gefärbt und hoch gestapelt“  –  Roman Seda – oberstübchen, Februar – Juni 2011
    • Sechsteilige Artikelserie, in der die Lebensgeschichte des Freiherrn sowie Wirken und Wirkung des Phänomens Guttenberg detailliert durchleuchtet und ebenso stil- wie treffsicher der endgültigen Entzauberung zugeführt wird.
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