König Donalds Wahnsinn

„Though this be madness, yet there is method in’t.“ („Ist es auch Wahnsinn, hat es doch Methode“), lässt Shakespeare den Oberkämmerer Polonius sagen, als dieser den Hintersinn im Verhalten des scheinbar verwirrten Hamlet erkennt. Denn Hamlets Wahnsinn ist nur vorgetäuscht, eine wohlerwogene List.

Je nach politischer Einstellung  könnte man sich nun wünschen oder aber befürchten, es gäbe bei Donald Trump ebenfalls irgendeinen wohlerwogenen Hintersinn, eine verborgene, aber immerhin rational durchdachte Strategie. Aber Fehlanzeige – da ist nichts. Der Mann ist einfach nur genau der inkompetente, dilettantische, substanz- und niveaulose Phrasendrescher, als der er den meisten Menschen erscheint.

Weitaus gefährlicher sind indes Eigenschaften Trumps aus dem Bereich der Psychopathologie: die Folgen seiner gravierenden narzisstischen und paranoiden Persönlichkeitsstörung.

Unter dem Titel „The Madness of King Donald“ veröffentlichte Elizabeth Drew, eine angesehene amerikanische Journalistin und Buchautorin, am 4. Dezember 2017 in dem führenden, in mehrere Sprachen übersetzten Meinungs- und Kommentarportal „Project Syndicate“ ein Porträt über das Verhalten Donald Trumps in den letzten Tagen und Wochen, in dem sie eine besorgniserregende Zuspitzung seiner psychischen und geistigen Defizite konstatiert, über die auch amerikanische Medien bereits berichtet hatten.

Die mitgeteilten Beobachtungen dürften nicht nur psychiatrische Experten alarmieren. Daher nachfolgend Ausschnitte daraus (Übersetzung aus dem Englischen: Eva Göllner).

In den letzten Tagen hat sich Präsident Donald Trump bizarrer verhalten als je zuvor, und die selten ausgesprochene Frage, die sich Politiker und Bürger gleichermaßen stellen, ist: Was kann man mit diesem Mann tun? Können es sich die Vereinigten Staaten wirklich leisten zu warten, bis Sonderermittler Robert Mueller seine Untersuchungen abschließt (angenommen, er beweist, dass der Präsident sich etwas hat zuschulden kommen lassen)? Das kann noch dauern.

Die Zeitfrage wird immer dringender angesichts der erhöhten Gefahr, dass die USA absichtlich oder unabsichtlich ein einen Krieg mit Nordkorea geraten. Dieses Risiko in Verbindung mit Trumps zunehmend eigenartigem Verhalten macht Washington nervöser, als ich es jemals zuvor gesehen habe, einschließlich der dunklen Tage von Watergate. Um es beim Namen zu nennen: es herrscht die Sorge, dass ein geistig umnachteter Präsident die USA in einen Atomkrieg führt.

Allein in der vergangenen Woche häuften sich die Beweise für Trumps Instabilität. Bei einer Zeremonie zu Ehren von Navajo-Veteranen des Zweiten Weltkriegs beleidigte er die Kriegshelden mit einem rassistischen Kommentar. Er brach einen beispiellosen und unnötigen Streit mit der Premierministerin von Großbritannien vom Zaun, eigentlich Amerikas engste Verbündete, indem er die anti-muslimischen Posts einer neofaschistischen britischen Gruppe via Twitter teilte. Mit der Absicht, die Stimme einer demokratischen Senatorin für seine bevorstehende Steuerreform zu gewinnen, ist er in ihren Bundesstaat gereist und hat Lügen über sie verbreitet (obwohl die Steuerreform das reichste eine Prozent der Amerikaner begünstigt, weshalb kein demokratischer Senator zugestimmt hat). Und er provoziert weiterhin den nordkoreanischen Machthaber Kim Jong-Un, der ähnlich labil zu sein scheint.

Gleichzeitig veröffentlichten sowohl die Washington Post als auch die New York Times Artikel mit verstörenden Berichten über das private Verhalten des Präsidenten. Trump hat angeblich ihm nahe stehenden Personen gegenüber behauptet, die berüchtigte „Access Hollywood”-Aufnahme von ihm, auf der man hört, wie er mit sexueller Belästigung prahlt, sei ein Betrug – obwohl er nach der Veröffentlichung der Aufnahmen durch die Washington Post in den letzten Wochen des Wahlkampfes deren Authentizität bereits zugegeben und sich entschuldigt hatte.

Trump hat auch seine verlogene Behauptung, Barack Obama sei nicht in den USA geboren, wiederaufgenommen, die freie Erfindung, mit der seine politische Karriere begann, und die er unter dem Druck seiner Berater kurz vor der Wahl zurücknahm. Dann schrieb er in einem Tweet, er habe einen Vorschlag des Time Magazins, ihn zur „Persönlichkeit des Jahres” zu ernennen, zurückgewiesen, weil der nicht definitiv gewesen sei. (Trump legt großen Wert darauf, auf dem Cover von Time zu erscheinen). Ein Sprecher von Time gab jedoch an, es sei nichts dergleichen vorgefallen.

Die Tatsache, dass Trump eine psychische Störung zu haben scheint, treibt Psychiater, Politiker und Journalisten gleichermaßen um. Einer Regel der amerikanischen psychiatrischen Vereinigung zufolge dürfen ihre Mitglieder keine Ferndiagnosen erstellen. Aber angesichts einer Situation, die für einige Psychiater eine nationale Notsituation darstellt, haben viele diese Regel gebrochen und öffentlich über ihre professionelle Bewertung seines geistigen Zustands gesprochen oder geschrieben.

Weitgehend akzeptiert ist, dass er an einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung leidet, die viel ernster ist als einfach ein Narzisst zu sein. Laut der Mayo Clinic handelt es sich bei Störungen dieser Art um „einen mentalen Zustand, bei welchem die Betroffenen eine übertriebene Meinung von ihrer eigenen Bedeutung, ein tiefes Bedürfnis nach Aufmerksamkeit und Bewunderung, ein gestörtes Verhältnis zu anderen und fehlende Empathie haben.” Zudem „liegt hinter dieser Maske extremen Selbstvertrauens ein schwaches Selbstbewusstsein, das durch Kritik leicht verwundbar ist.” Diese Definition stimmt nur allzu genau mit Eigenschaften überein, die Trump regelmäßig zeigt.

Eine andere Ansicht, die verschiedene Ärzte teilen, und die auf dem Vergleich von Interviews beruht, die Trump in den späten 1980ern und heute gegeben hat, ist, dass der Präsident, der heute mit einem viel beschränkterem Vokabular und viel weniger flüssig spricht, an den Anfängen einer Demenz leidet. Nach der hoch respektierten medizinischen Referenz UpToDate, einem Abonnementservice für Ärzte, gehören zu den Symptomen einer Demenz Unruhe, Aggressivität, Wahnvorstellungen, Halluzinationen, Apathie und Enthemmung.

Zahlreiche republikanische Kongressmitglieder sind zutiefst besorgt über Trumps Unfähigkeit, mit der Präsidentschaft umzugehen – einem enorm anspruchsvollen Job. Man erzählt sich, Außenminister Rex Tillerson, der bald abgesetzt werden soll, habe Trump einen Idioten („moron“) genannt.

Trumps verstärktes fehlerhaftes Verhalten in den letzten Tagen wurde seiner wachsenden Sorge über die Ermittlungen von Mueller zugeschrieben, der eine mögliche Absprache von Trump und seiner Kampagne mit Russland untersucht. (…) Dies zunehmend bizarre Verhalten begann indes noch vor der Nachricht am 1. Dezember, dass Trumps erster nationaler Sicherheitsberater und vertrauter Wahlkampfberater, der ehemalige General Michael Flynn, mit dem FBI kooperieren will.

Außerdem:
  • Trump’s Way – Inside Trump’s Hour-By-Hour Battle For Self-PreservationMaggie Haberman, Glenn Thrush and Peter Baker – New York Times, 09.12.2017
    • „With Twitter as his Excalibur, the president takes on his doubters, powered by long spells of cable news and a dozen Diet Cokes. But if Mr. Trump has yet to bend the presidency to his will, he is at least wrestling it to a draw.“
  • Deutsche Psychiater rechtfertigen Ferndiagnose: „Ich halte Trump für gefährlich“ – Focus, 01.11.2017
    • „Sabine Herpertz, Direktorin der Psychiatrie am Universitätsklinikum Heidelberg sagt gegenüber der „Zeit“, dass sie sich normalerweise nicht zu öffentlichen Personen äußere: „Aber in dem Fall habe ich eine Verantwortung, auch als Wissenschaftlerin.“ Die Psychiatrieprofessorin sagt weiter wörtlich: Ich halte Trump für gefährlich. Deswegen kann ich mich meinen amerikanischen Kollegen nur anschließen.“ Zur Frage, ob die psychiatrische Ferndiagnose „krankhafter Narzissmus“ legitim sei, sagt Herpertz: „Trump ist ja ein sehr exponierter Mensch, der viel von sich zeigt. Das macht eine Ferndiagnose leichter, zumal das Bild, das er von sich entwirft, sehr einheitlich ist.““
    • „Claas-Hinrich Lammers, Chefpsychiater an der Hamburger Asklepios Klinik Nord-Ochsenzoll, meint dazu: „Die Kriterien sind extra so definiert, dass die Diagnose aus ganz klar beobachtbaren Phänomenen gestellt werden kann. Deswegen ist es auch gut möglich, die narzisstische Persönlichkeitsstörung aus der Distanz zu diagnostizieren.“ Trump erfülle alle Kriterien „in einer solchen Prägnanz und Deutlichkeit, dass es schon faszinierend ist“.“
  • „Ist Trump böse, verrückt oder beides?“ – Rolf Maag – 20minuten (Schweiz), 16.12.2017
    • „27 Psychiater und Psychologen finden, US-Präsident Donald Trump müsse seines Amtes enthoben werden.“
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