Rückkehr zum Kalten Krieg?

„Denn sie wissen nicht, was sie tun“ überschreibt Jakob Augstein seine heutige Spiegel-Kolumne, in Anspielung auf den gleichnamigen James-Dean-Film, in dem der Protagonist „nur durch Glück das ‚Hasenfußrennen‘ überlebt“, sein Kontrahent jedoch in den Abgrund stürzt. Augstein sieht Russland und den Westen auf dem besten Weg zu einem ähnlich halsbrecherischen Spiel mit dem Feuer:

„Markige Worte und militärische Manöver: An ihrer Ostgrenze will die Nato gegenüber Russland jetzt Stärke zeigen. Der Kalte Krieg ist zurück. Nicht mal 25 Jahre hielt die Entspannung.“

In der Tat: Im Ukraine-Konflikt wird munter eskaliert, von allen wesentlichen Akteuren. Wahrlich auch vom Westen. Allen voran vom demnächst gottlob ausscheidenden NATO-Generalsekretär Rasmussen, berüchtigt für seine aggressive militaristische Rhetorik:

Einige (…) Verbündete [finden], dass Rasmussen den Konflikt mit dem östlichen Nachbarn unnötig angeheizt hat. Woche für Woche irritierte er die Westeuropäer einschließlich Berlin mit Äußerungen, die nicht dem diplomatischen Lehrbuch entsprechen. Mal stellte er der Ukraine und anderen osteuropäischen Staaten einen Nato-Beitritt in Aussicht. Mal bestätigte er angebliche Grenzverletzungen Russlands, auch dem russischen Hilfskonvoi unterstellte er sofort und öffentlich böse Absichten. (Spiegel online, 04.09.2014)

Bereits Mitte Mai hatte Rasmussen mehr Militärausgaben und neue Verteidigungspläne der NATO für Osteuropa gefordert und Anfang August Vollzug gemeldet. Auf dem in diesen Tagen in Wales stattfindenden NATO-Gipfel werden diese gegen Russland gerichteten militärischen Maßnahmen nun beschlossen, die der Abschreckung dienen und den als alleinigen Aggressor ausgemachten Putin einschüchtern sollen (NATO-Manöver in Osteuropa; Gründung einer 4000 Mann starken „schnellen Eingreiftruppe“; wer ernsthaft glaubt, Putin damit abschrecken zu können, informiere sich über die russischen Streitkräfte.).

Jakob Augstein:

„Man wird sich an diesen Tag erinnern. Er besiegelt den Neubeginn des Kalten Krieges. Ab jetzt regiert wieder die irre Logik der Militärs. Das wäre vermeidbar gewesen. Wenn es denn jemand hätte vermeiden wollen. Die Russen wollten nicht – und wir im Westen auch nicht. „It takes two to tango“, hat Ronald Reagan einmal zum US-sowjetischen Verhältnis gesagt. Das gilt für die Entspannung ebenso wie für die Konfrontation. (…)

Hinter uns lassen wir (…) die Trümmer der Entspannungspolitik. Wir konnten ihre Früchte nicht einmal 25 Jahre lang genießen.“

Bei Maybritt Illner diskutierten dazu sehr treffend der ehemalige Generalinspekeur der Bundeswehr und Vorsitzende des NATO-Militärausschusses Harald Kujat, EU-Parlamentspräsident Martin Schulz und der Philosoph und Publizist Richard David Precht. Hier ein kurzer Ausschnitt:

Selbstverständlich wissen die Akteure, wie Eskalation funktioniert. Wer sich jemals mit der Zuspitzung von Konflikten befasst hat, kennt z.B. die Eskalationsstufen, die Friedrich Glasl erstmalig 1980 beschrieben hat.

Konflikteskalation nach Glas

 

Glasl, Konfliktmanagement, 11. Aufl. Glasls Standardwerk zum Konfliktmanagement ist inzwischen in 11. Auflage erschienen. Übrigens auch auf russisch. Die Konflikt- und Friedensforschung erarbeitete zudem detaillierte Glasl, Konfliktmanagement auf RussischHandlungsanleitungen zum Ausstieg aus Eskalationsszenarien.

Man weiß also, wie man in einem politischen Konflikt deeskalierend agieren könnte,  tut es aber nicht. Auch der Westen nicht, in seiner Gesamtheit. Steinmeier, Merkel und EU-Parlamentspräsident Schulz mal ausgenommen.

Demzufolge sehen wir uns heute mit einer politischen Lage konfrontiert, in der die bisherige europäische Friedensordnung in Auflösung begriffen ist und ein neuer Kalter Krieg mit Russland immer wahrscheinlicher wird. Es stellt sich die Frage, warum der Westen an der Eskaltionsspirale, die zu diesem fatalen, folgenschweren Ergebnis geführt hat, so leichtfertig mitgestrickt hat – im Sinne der Spieltheorie: „mitgespielt“?

Nochmal Jakob Augstein:

„Das Denken des Kalten Krieges folgte der ausweglosen Logik der Spieltheorie: Rechne stets mit den schlechtesten Absichten und den besten Fähigkeiten deines Feindes. Jetzt wird wieder so gedacht. Was will Putin? Wäre es ihm nur um die Krim gegangen, dann könnte er sich jetzt zurückziehen. Denn die Krim wird dem Kreml-Herren niemand mehr streitig machen.

Warum der unerklärte Krieg in der Ostukraine? Da ist kein langes Kopfkratzen nötig: Putin will den Westen zerstören – nach dem Motto: Rechne mit den schlechtesten Absichten … Darauf gibt es nur eine Antwort: stark sein, hart sein. Niemand will den neuen Chamberlain geben und bloß kein neues München! Aber Putin ist nicht Hitler. Dass er Walhalla-Weltuntergangsfantasien à la Führer hätte, ist nicht bekannt. Die Kanzlerin sagt, er lebe „in seiner eigenen Welt“. Die „Zeit“ schreibt ihm „Einkreisungsfantasien“ zu. 

Die Wahrheit ist: Putin hat lange zugesehen, wie ihm Nato und EU immer näher rückten. Bei der Ukraine war Schluss. Der Westen musste das wissen.“ 

Das ist genau der Punkt. Die entscheidenden Fehler wurden bereits im Vorfeld des Ukraine-Konflikts gemacht. Man ist Russland zu dicht auf die Pelle gerückt. Mit seinen hochentwickelten politischen, wirtschaftlichen und militärischen Institutionen war der Westen im Begriff, sich leichtfertig und unüberlegt in Russlands Vorgarten breit zu machen.

Wenn eine ehemalige kommunistische Großmacht sich durch ihren Zerfall gedemütigt fühlt, dann aber einen eigenen (durchaus problematischen – Stichwort: Oligarchen) Weg zum Kapitalismus einschlägt, sollte man ihr die Tür öffnen und den Weg ebnen, bei den verbliebenen neuralgischen Punkten  jedoch schonend, umsichtig und sensibel mit ihr umgehen. Sie durchaus mit Samthandschuhen anfassen, wenn ihre Empfindlichkeiten berührt werden.

Allemal, wenn diese ehemalige Großmacht über Bodenschätze verfügt, von denen wir mittlerweile abhängig sind, und über Streitkräfte und militärische Möglichkeiten in einer Größenordnung, dass man sich damit ganz gewiss besser nicht anlegt.

Und übrigens auch dann, wenn der Präsident dieser ehemaligen Großmacht mitnichten ein lupenreiner Demokrat, sondern ein mit allen KGB-Wassern gewaschener, von geopolitischer Expansionslust geleiteter skrupelloser Saukerl sein sollte. 

Ergänzung am 14.09.2014:
18.09.2014: Vietnamisierung der Ukraine?

Gabor Steingart, klarsichtiger, blitzgescheiter und daher zurecht renommierter Journalist, derzeit Handelsblatt-Verlagschef, schreibt montags bis freitags zu früher Stunde einen kurzen, meist brillant formulierten Newsletter, das Handelsblatt Morning Briefing. Die heutige Ausgabe enthält eine Passage, die ich Denkraum-Lesern nicht vorenthalten möchte (Hervorhebungen teilweise von mir):

„Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko hält heute eine Rede vor dem US-Kongress. Danach wird wahrscheinlich ein neuer millionenschwerer Scheck für weiteres Kriegsgerät ausgestellt. Die Vietnamisierung der Ukraine nimmt damit ihren Lauf. Dabei ist ein Ausstieg aus der Spirale von Drohung und Gegendrohung, von Gewalt und Gegengewalt durchaus denkbar. Bertolt Brecht wusste, wie das geht: ‚Wer A sagt, der muss nicht B sagen. Er kann auch erkennen, dass A falsch war.‘

Zur Umkehr rät auch unser heutiger Gastkommentator Friedbert Pflüger, einst Außenpolitiker der CDU und heute Institutsleiter am King‘s College in London: ‚Es gibt keine Lösung der Ukraine-Krise, keine wirksame Terrorbekämpfung, keinen Frieden ohne Russland. So sehr wir Putins Politik kritisieren: Unser Interesse ist der Ausgleich.'“

„Gerät die Welt aus den Fugen?“ – Sehenswerte Beckmann-Sendung

Wer sich dafür interessiert, wie führende deutsche Intellektuelle die gegenwärtige politische Weltlage einschätzen, dem empfehle ich wärmstens die Diskussion bei Beckmann vom 28.08.2014: Krisen, Krieg und hilflose Mächte – gerät die Welt aus den Fugen?

Die Teilnehmer:

Wolf von Lojewski (ehem. ARD-Korrespondent in Washington)

Gabriele Krone-Schmalz (frühere ARD-Korrespondentin in Moskau)

Stefan Kornelius (Ressortleiter Auslandspolitik der „Süddeutschen Zeitung“) 

Prof. Harald Welzer (Soziologe) 

Prof. Herfried Münkler (Prof. für Politikwissenschaften an der HU zu Berlin)

Vor allem den beiden Professoren und der wie immer streitbaren Frau Krone-Schmalz gelang es, eine Diskussion mit erheblichem Erkenntniswert und  Tiefgang zu führen und einen profunden Einblick in die verschiedenen Denk- und Bewertungsansätze zu geben, die zur gegenwärtigen weltpolitischen Lage in intellektuellen Kreisen derzeit im Umlauf sind.

Ergänzung am 31.08.2014:

Fast tagesgenau vor drei Jahren schrieb ich einen Beitrag für den Denkraum mit dem Titel „‚Die Welt ist aus den Fugen‘: von der Macht der Finanzwirtschaft und der Ohnmacht der Politik“, in dem ich einen politischen Essay der Journalistin Tissy Bruns vorstellte, die leider im Februar 2013 61jährig einer Krebserkrankung erlag. In ihrem im Berliner Tagesspiegel erschienenen brillanten Essay ging es um das damalige politische Großthema, die Finanzsystemkrise.

Aus zwei Gründen weise ich an dieser Stelle noch einmal auf diesen Beitrag hin: Zum einen, um an eine ausgezeichnete, viel zu früh verstorbene Journalistin zu erinnern, zum anderen, um zu unterstreichen, dass die Krise unseres Finanzsystems, die Tissy Bruns so treffend analysiert hatte, keineswegs bewältigt ist, sondern von den Konfliktschauplätzen Naher Osten und Ukraine derzeit lediglich medial übertönt wird.

Treffender gesagt befindet sich das Weltfinanzsystem nicht in einer Krise, sondern hat sich in den letzten 20 – 30 Jahren zu einer völligen Fehlkonstruktion entwickelt (s. auch Rethinking Economics und meine Beiträge über die Forschungen von Thomas Piketty; s. auch hier).

Endzeit der EU?

Die wahrhaft historische Dimension dieser für die gestaltenden politischen Kräfte desaströsen Europa-Wahl wird von wenigen Kommentatoren so treffend erfasst wie von dem Spiegel-Kolumnisten Georg Diez. In seinem klugen, tiefgreifenden Kommentar prognostiziert Diez „das Ende der Europäischen Union“.

„Wenn die Historiker später mal verstehen wollen, wie die EU eigentlich gescheitert ist, verraten von den Eliten und nicht von der Bevölkerung, dann werden sie diese Tage studieren, Ende Mai 2014: Als die Willkür und die Lügen unerträglich wurden und die Pappkonstruktion der EU sich in all ihrer schäbigen Wackeligkeit zeigte.“

Wegen des flachen, dekadenten Medienechos auf das Wahlergebnis geht Diez mit den Mainstream-Journalisten hart ins Gericht. 

Am Montag nach der Wahl hätten fast alle noch so getan,

 „als sei nichts gewesen, diese Wahl ein Hagelsturm aus dem Nirgendwo, ein Frühlingsgewitter, das vorüberzieht, sie wollten ihre Papierhüte aufsetzen und weiterwursteln – während sich die französische Demokratie gerade in ihre Bestandteile zerlegt mit dem Triumph des Front National und der Korruption von Sarkozys UMP und einem anämischen Sozialisten als Präsidenten, da redeten sie in den Zeitungen, wie immer, über innenpolitische Scharaden und das Postengeschacher, diese Ersatzbefriedigung eines sinnentleerten politischen Journalismus.“

Vor allem bei ARD und ZDF habe es so gewirkt,

„als säßen dort ein paar bezahlte EU-Politkommissare, die die Nachrichten schreiben: Speziell nervend wie immer Udo van Kampen, hechelnd im Tonfall, Brüssel sei voll von Gerüchten, wer wird was, es geht ums „Tableau“ – alles wie immer, seufzte auch Claus Kleber pseudokritisch, wie kann es aber auch anders sein, wenn die Medien einfach das in diesen Tagen fast klischeehaft zynische Spiel der Politik mitspielen und sich damit gleich selbst mit überflüssig machen.

Alles, was sie interessiert, ist das Kräuseln auf der Oberfläche der Macht – kein Wort über Inhalte, Wahrheiten, Positionen, kein Wort über die Gründe dieses Wahlergebnisses, kein Innehalten und Nachdenken mal darüber, was das alles bedeutet – stattdessen panisches Vorwärts, nur weg von der Frage, ob dieses Ergebnis nicht schlicht und einfach das Resultat von falscher Politik ist, ein kollektives Scheitern, fast ein Systemversagen, bei dem Journalisten einen Teil der Schuld tragen, wenn sie etwa in der „FAZ“ nach der Wahl ernsthaft schreiben, Deutschland sei ein „Stabilitätsanker in stürmischer See“, wo doch Deutschlands Egoismus den Sturm erst so richtig entfacht hat. (…)

Warum degradieren sich Journalisten gerade zu Narren oder schlimmer noch, zu traurigen Nebendarstellern im absurden Theater unserer Gegenwart – ein wenig wie Winnie in Samuel Becketts Stück „Glückliche Tage“, die erst bis zur Hüfte und dann bis zum Hals in die Erde verbuddelt ist und trotzdem immer wieder delirierend, beschwörend singsangt, was für ein schöner Tag auch dieses Desaster gewesen sein wird. (…)

Die NSA-Sache zum Beispiel: Auch hier hat der Generalbundesanwalt Range entschieden, im organisiertesten Angriff auf den Rechtsstaat der vergangenen Jahre keine Ermittlungen aufzunehmen – man kann den rechtspopulistischen Parteien einiges vorwerfen, aber wenn die Demokraten selbst die Demokratie mit solcher Verachtung behandeln, sie benutzen und verbiegen, bleibt den Le Pens und Luckes dieser Welt fast nichts mehr zu tun.

„Euroskeptisch“ oder „eurokritisch“, das sind die Worte, auf die man sich geeinigt hat, um diese Parteien mit ihrem zum Teil rassistischen Programm zu beschreiben – aber diese Worte sind zu unscharf und falsch wie so vieles dieser Tage, eine Verkürzung und Verdrehung: Der Protest richtet sich doch in weiten Teilen nicht gegen den Euro an sich, sondern zuerst gegen eine Politik, die Banken rettet zum Preis ganzer Volkswirtschaften.

Das ist der Kern der Krise – selbst Merkels Juncker-Trick ist da nur Oberfläche. Juncker, dessen Programm wie das von Martin Schulz im Wahlkampf eh keine Rolle spielte, würde das ewige Weiter-So garantieren, das genau das Problem der EU ist. Es ist ein typisches Brüsseler Paradox: Der Streit über das demokratische Defizit berührt noch nicht mal ansatzweise das tatsächliche demokratische Defizit der EU.

Vielleicht ist das alles aber auch ganz einfach wohl orchestriert – denn wenn sich die Leute über Merkel und Juncker aufregen, wenn sie jetzt aufatmen, dass er es doch wird, vielleicht: Dann vergessen sie am Ende, dass es um ganz andere, viel grundsätzlichere Dinge geht. (…)“

Sie vergessen es nicht, es war ihnen nie wirklich bewusst – weder dem Gros der deutschen Bürger, denen es – als Euro-Profiteuren – ja einigermaßen gut geht, noch den Journalisten. Dünn gesät sind die Intellektuellen, die die grundsätzlichen, wesentlichen ökonomischen Zusammenhänge durchschauen.

Einige Augenöffner:

  •  Europas Krisenpolitik: Merkels Politik nutzt nur dem KapitalHarald Schumann – Tagesspiegel, 29.05.2014
    • „Thomas Pikettys Buch trifft offensichtlich einen Nerv. Die Reichen werden reicher und die Armen ärmer. Doch die Politik macht alles nur noch schlimmer. Angela Merkels Krisenpolitik nutzt dem Kapital – und die Rettung des Euro bezahlen am Ende die Armen.“
  • Die Verantwortung der von Merkel u.a.m. betriebenen Politik für die Erfolge der Rechtsextremen und für die erkennbare Abkehr von der EU wird erstaunlich selten thematisiertAlbrecht Müller – Nachdenkseiten, 28.05.2014
    • „Auch nur ein kleiner Rückblick auf die europäische und Weltwirtschaftsgeschichte müsste einem klarmachen: Wenn hohe Arbeitslosigkeit und wirtschaftliche Not herrscht, wenn berufliche Perspektiven und soziale Sicherheit schwinden, dann ist es kein Wunder, dass die Menschen hilflos nach politischen Rettungsankern bei den Rechten suchen, die Schuld den Ausländern und Minderheiten zuschieben oder sich aus der politischen Beteiligung verabschieden. Es sei denn, die Verantwortlichen werden wie von der griechischen Linken richtig benannt. Die Politik der Bundesregierung und der sie tragenden Kräfte hat wesentlich dazu beigetragen, dass die Volkswirtschaften Europas stagnieren und Arbeitslosigkeit in einzelnen Ländern geradezu explodiert. Wir haben anderen Völkern eine „Spar- und Reformpolitik“ aufgezwungen und die Europäische Kommission hat in ideologischer Verblendung dabei versagt, die Leistungsbilanzen und die Wettbewerbsfähigkeiten in Europa einigermaßen im Lot zu halten.“
  • Europa ist prima, aber die in Brüssel, Berlin u.a.m. herrschende Ideologie ist fürchterlich und ein Versager – Albrecht Müller – Nachdenkseiten, 20.05.2014
    • „Am 8. Mai hatte ich in Zagreb eine Diskussion mit interessanten Gästen der Friedrich Ebert Stiftung Zagreb. In Kroatien wie in anderen Staaten Europas kann man beobachten, dass die Idee von Europa und der Anspruch der Repräsentanten der Europäischen Union einerseits und die wirkliche wirtschaftliche und soziale Entwicklung der Völker Europas andererseits meilenweit auseinander liegen. Brüssel hat in zentralen Fragen der Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik versagt. Der in Europa jetzt herrschende Geist ist nicht einmal von Solidarität geprägt. Man müsste diese Ideologie am kommenden Sonntag abwählen können. „
  • Warum behaupten sich die neoliberalen Ideen so hartnäckig? – Prof. Mark Thatcher, Prof. Vivian A. Schmidt – Gegenblende, 17.12.2013
    • „Das klägliche Scheitern der neoliberalen Politikangebote wirft die Frage auf, weshalb diese so hartnäckig die europäische Politik beherrschen und ob es daraus einen Ausweg gibt. Trotz der Wirtschaftskrise, die die USA und Europa 2008 mit voller Wucht traf, haben die politischen Eliten kaum einen Versuch unternommen, die neoliberalen Ideen zu hinterfragen, die zu einem großen Teil für die Blasen und deren Platzen verantwortlich sind. Genauso wenig haben sie realisiert, wie übertrieben die „Great Moderation“ tatsächlich war. Ganz im Gegenteil, die neoliberalen Ideen erscheinen weiterhin als alternativlos. Die Re-Regulierungen im Finanzbereich, wo die Krise begann, bleiben in beschämender Weise ungeeignet. Die einzigen Ideen, die verfolgt werden, sind neoliberal, entweder zugunsten weiterer ‚marktfördernder’ Regulierungen oder sie folgen noch mehr dem „Laissez-faire“-Prinzip. Das größte Rätsel stellt jedoch die Krisenreaktion der Eurozonen-Länder dar, die sich durch Austeritätspolitiken der Marktdisziplin unterworfen haben und dadurch selbst zu niedrigem oder gar keinem Wachstum verdammt sind. Dagegen waren die Vereinigten Staaten wirtschaftlich erfolgreicher, obwohl sie gespalten sind in republikanische Fundamentalisten, die Austeritätspolitiken fordern, und eine pragmatischere politische Führung, die eine Wachstumspolitik verfolgt. Unsere Frage ist also: Wie können wir die Hartnäckigkeit neoliberaler Ideen erklären? Warum haben diese Ideen nicht nur seit den 1980er Jahren überlebt, sondern sind auch noch dominant geblieben?“

Geheuchelte Empörung im Abhörskandal?

Wenn es stimmt, was Elmar Theveßen, stellvertretender Chefredakteur des ZDF und Geheimdienstexperte,  gestern abend im ZDF-heute journal höchst plausibel darlegte, so wäre dem Abhörskandal ein weiteres Kapitel hinzufügen, das geeignet wäre, unsere Politiker in hohem Maße zu desavouieren und bloßzustellen.

Theveßen behauptet, die gegenwärtigen empörten Reaktionen der Politiker seien pure Heuchelei – die nachrichtendienstlichen Abhörpraktiken seien seit vielen Jahren bekannt.

„Macht uns doch nichts vor! Politiker aller Parteien wussten längst Bescheid. (…) Deutsche Politiker quer durch die Parteien spielen hier offenbar ‚mein Name ist Hase, ich weiß von nichts‘.“

In einem offenen Brief an Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger hatte der ZDF-Experte sich bereits am 22. Juni verwundert über die Entrüstung der Ministerin über das umfassende Ausspähprogramm von britischen und amerikanischen Geheimdiensten gezeigt und festgestellt,

„Sie – und eigentlich alle Politiker, die sich qua Amt in Sicherheitsfragen auskennen – wissen doch längst über das alles Bescheid.“

Entsprechende Informationen seien unter anderem bereits im Frühjahr 1998 in einem offiziellen Bericht an das EU-Parlament enthalten gewesen, in dem es hieß:

„Innerhalb Europas werden alle E-Mail-, Telefon- und Fax-Kommunikationen routinemäßig von der NSA abgefangen. Sie transferiert alle Zielinformationen über den wichtigen Knotenpunkt Menwith Hill in den Sümpfen von Nord Yorkshire im Vereinigten Königreich nach Fort Meade in Maryland“ (dem Hauptquartier der NSA in den USA).

Wenige Monate später, im Oktober 1998, habe das Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg eine Warnung an deutsche Wirtschaftsunternehmen versandt:

Echelon (das damalige Abhörprogramm) hört ungefiltert den gesamten E-Mail-, Telefon-, Fax- und Telexverkehr ab, der weltweit über Satelliten weitergeleitet wird“.

Theveßen in seinem offenen Brief weiter:

„Sie, sehr geehrte Frau Leutheusser-Schnarrenberger, (…) wundern sich, wie andere deutsche Politiker, über etwas, was sie seit langem wissen mussten? Die amerikanische NSA, das britische GCHQ und ihre Partner haben in den verstrichenen 15 Jahren nur ihre Kapazitäten ausgebaut, neue Speicherserver angeschafft, Anzapfmethoden verfeinert – das Einklinken in Unterseekabel gibt es schon seit 1921 – und die Auswertungssoftware perfektioniert, z.B. PRISM. Ansonsten machen sie eigentlich das Gleiche wie immer. Allerdings haben Politiker die rechtlichen Rahmenbedingungen erleichtert und die Kontrollmechanismen abgeschliffen.

Ach, und schließlich, sehr geehrte Frau Bundesjustizministerin, noch die Frage: Was für Daten sammeln eigentlich französische, spanische und deutsche Geheimdienste in ihrem gemeinsamen Satellitenzentrum in Torrejon, Spanien?“

Wenn es stimmt, dass die allenthalben geäußerte Entrüstung über die bislang angeblich unbekannten Abhörpraktiken der Geheimdienste nur vorgetäuscht ist, dann werden wir nicht nur von „befreundeten“ Staaten an der Nase herumgeführt, sondern auch von unseren eigenen Politikern.

Es wäre in diesem historischen Skandal das Tüpfelchen auf dem I. Der Bürger könnte sich nur angewidert abwenden.

(Besser wäre natürlich, wir würden uns auf den Tahirplätzen unseres Landes versammeln und dort unsere Empörung zeigen. Aber anders als beim Stuttgarter Bahnhof wird die Bedrohung in diesem Fall nur abstrakt und distanziert erlebt. Die 68er sind auf dem Weg in die Rente, und das Wutbürgerpotential der Deutschen im allgemeinen ist höchst überschaubar.)

Siehe auch:
  • Orwell 2.0 – Die totale Überwachung ist längst Realität – Ausführliche Darstellung der Geschichte nachrichtendienstlicher Überwachungs- und Abhörpraktiken vom Ende des 2. Weltkriegs bis heute (Echelon, Prism etc.) von Jens Berger  – Nachdenkseiten, 02.07.2013
    • „Das jüngst bekannt gewordene Internetüberwachungsprogramm Prism ist nur die Spitze des Eisbergs. Seit Ende des Zweiten Weltkriegs wird die internationale Kommunikation systematisch von spezialisierten Geheimdiensten abgehört. Mit dem technischen Fortschritt wuchs auch das Ausmaß der Überwachung rasant an. Heute betreibt wohl jedes bedeutende Land ein eigenes Abhörprogramm, gegen das die Stasi wie ein graues Relikt aus der Vorzeit wirkt. Die USA sind in Sachen Überwachung jedoch eine Klasse für sich. Der Staat, der stets so tut, als habe er ein Patent auf den Begriff „Freiheit“, hat heute ein digitales Überwachungssystem, das jeder orwellschen Totalitarismusphantasie Ehre macht. Wer glaubt, es ginge dabei nur um die „Terrorismusbekämpfung“, beleidigt dabei die Geschichte durch einen Mangel an Phantasie.“
  • Lizenz zum Abhören – Ist das der Preis der Freiheit?Maybritt Illner – Sendung vom 04.07.2013
    • „Ist aus dem großen Bruder USA inzwischen der böse Bruder geworden? Wie zerrüttet ist das deutsch-amerikanische Verhältnis? Wie geheim die Geheimdienstarbeit? Müssen wir uns zwischen Sicherheit und Freiheit entscheiden? Oder geht es am Ende nicht um Terrorabwehr, sondern um Wirtschaftsspionage?“

Syrienkrieg – Aufruf der führenden Hilfsorganisationen

 

Tut Deutschland alles in seiner Macht stehende, um diesen schrecklichen Bürgerkrieg so rasch wie möglich zu beenden und die Not der syrischen Bevölkerung zu lindern? Die medizinische Behandlung von 30 schwerverletzten syrischen Kämpfern bei uns in Deutschland ist ein guter humanitärer Akt. Aber warum nicht 50 oder 60? Außerdem, wie damals nach dem Tsunami in Indonesien, ein Feldlazarett der Bundeswehr zum Flüchtlingslager nach Jordanien?

Und das Auswärtige Amt? Sieht seine Syrienpolitik natürlich positiv. Der Minister formuliert geschliffen, aber distanziert, nicht engagiert. Übt sich in vornehmer diplomatischer Zurückhaltung. Man mag von Genscher und Joschka Fischer politisch halten, was man will – engagiert waren beide und haben sich reingehängt in ihre Aufgaben. Westerwelle bringt Ruhe in die deutsche Außenpolitik. Er leidet am Verfall seiner FDP und an seinem eigenen Abstieg. Wie für so viele Verlierer gilt auch für ihn: er ist angeschlagen, der alte Schwung ist hin. Würde man mit ihm umgehen wie Angela Merkel mit Norbert Röttgen, dem NRW-Wahlverlierer, müsste man ihn entlassen.

Dann gibt es da noch die Hohe Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, Lady Catherine Ashton. Gewissermaßen Europas vereinigte Außenministerin. Die diplomatische Zurückhaltung in Person. Nach dem agilen, überzeugenden und sympathischen Javier Solana eine totale Fehlbesetzung. Keiner nimmt sie ernst. Gottlob wirft sie demnächst das Handtuch.

Siehe auch:

Quilliam Foundation drängt auf internationale Intervention in Syrien

Die in Großbritannien ansässige Quilliam Foundation, ein islamischer Think Tank, der gegen Extremismus und Islamismus gerichtet ist, fordert die internationale Gemeinschaft auf, ihre Schutzverantwortung für die syrische Bevölkerung nach Maßgabe der UN-Doktrin „Responsibility to Protect“ wahrzunehmen und in Syrien militärisch zu intervenieren.

Quilliam Urges Action on Syria Crisis
6 June 2012

Since the Syrian people joined the Arab Uprisings almost 15 months ago, more than 54 000 of them have been made refugees in Turkey, Lebanon and Jordan; a total of 15 600 have been killed, of which 1162 are children, 1085 are women and 1293 are soldiers; 212 000 protestors are currently incarcerated, 621 of whom have been killed through torture; and over 65 000 people are missing.

The Syrian regime is wholly responsible for these atrocities. President Bashar Assad has shown absolutely no interest in Kofi Annan’s UN -led mission. Assad has launched a military campaign against his own people, behind the smokescreen of claims that he is fighting Al-Qaeda and armed terrorist groups. Such statements are reminiscent of the final days of the Gaddafi regime.

Maajid Nawaz, Chairman and Co-Founder of Quilliam, says:

“Events in Syria are fast resembling Balkan style massacres, with all the long-term implications this brings. After the Houla massacre, the world must do all it can to end the violence before an entire Syrian generation is raised with nothing but disdain for the international community.”

Until now the international community has heavily depended on Kofi Annan’s plan for Syria, but Russia and China’s refusal to support this plan has rendered it worthless, thus allowing the Assad regime to disrespect the plan entirely. Though we acknowledge the regional tensions, especially those involving Iran, there is a moral and strategic responsibility to prevent both civil and regional war.

Noman Benotman, Senior Analyst in Strategic Communications at Quilliam, says:

„The international community must intervene immediately in the escalating civil war in Syria. We have a duty to protect innocent civilians from mindless state-sponsored violence. The Responsibility to Protect doctrine provides an adequate framework for such an intervention and action is needed now. Past experience in Bosnia proves that a lack of will by international actors will lead to further mass killings.“

We at Quilliam believe the international community should begin considering optimal policies to address the Syrian crisis. We support Saudi Arabia’s efforts at the UN to establish a buffer-zone in Syria to protect the country’s population. We encourage further diplomatic, economic and any legal military efforts to remove the current Syrian leadership from power.

„Paradigm Lost“: Ökonomen erkennen Holzweg – zu spät für Europa?

Die europäische Krisenstrategie auf dem Weg zum Bankrott? So sehen es nicht nur die Herren Mayer, Münchau und Krugman (Grafik: Handelsblatt), sondern eine wachsende Zahl besorgter Ökonomen, die den drastischen Sparkurs für fatal halten, den Deutschland der EU als Heilmittel gegen die europäische Finanzkrise beharrlich auf’s Auge drückt. Der Handelsblatt-Newsletter Finance Today in seiner heutigen Presseschau:

EU auf dem Weg zum Bankrott

Je länger die Euro-Krise anhält, desto mehr Experten rütteln an den bisherigen Tabus. So sieht Thomas Mayer (Foto: links), scheidender Chefvolkswirt der Deutschen Bank, im Jahr 2012 das Schicksalsjahr für den Euro. Sollten die Krisenländer Spanien und Italien nicht Kurs halten, werde Deutschland über einen Ausstieg nachdenken müssen, sagt Mayer dem » Wall Street Journal . Angela Merkel solle ihren Satz „Scheitert der Euro, scheitert Europa“ zurücknehmen. In der » Zeit schreibt Gustav Horn, Leiter des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung, den EU-Krisenmanagern deutliche Worte ins Stammbuch. „Die europäische Krisenstrategie läuft unweigerlich ihrem ökonomischen und politischen Bankrott entgegen.“ Jetzt sei die Zeit gekommen, sich zu fragen, was nach der Sparpolitik geschehen solle. Unter dem Schutz einer EZB-Garantie müsse die Finanzpolitik in den Defizitländern weniger restriktiv gestaltet werden. Es sei nicht die Zeit für die Konsolidierung von Staatsfinanzen, meint auch Wolfgang Münchau (Mitte) im » Spiegel . Er schlägt mit Blick auf Spanien vor: „Jetzt ist die Zeit, um Spaniens Banken zu Abschreibungen bei den Immobilien in ihrer Bilanz zu zwingen, die eine Million unverkaufter Immobilien zur Auktion freizugeben und somit dem spanischen Wohnungsmarkt die Möglichkeit zu geben, sich bald wieder zu fangen.“ Spanien und andere Länder hätten durchaus eine Alternative zum endlosen Sparkurs, meint Paul Krugman (re.) in der » New York Times – eine, die ihnen durch die Umstände aufgezwungen werden könnte: der Ausstieg aus dem Euro, mit allen finanziellen und politischen Auswirken, die folgten. 

Holz lautet ein alter Name für Wald.
Im Holz sind Wege, die meist verwachsen jäh im Unbegangenen aufhören.
Sie heißen Holzwege.

Martin Heidegger
als Motto zu seiner Aufsatzsammlung „Holzwege“ (1950)

Die zunehmenden Warnungen, mit der derzeitigen Euro-Krisenstrategie sei man auf dem Holzweg,  sind eingebettet in eine umfassendere Entwicklung mit vorhersehbar äußerst weitreichenden Konsequenzen für die weltweite Wirtschafts- und Finanzpolitik: eine sich abzeichnende grundlegende Neuorientierung der Wirtschaftswissenschaften. Angesichts der immensen Bedeutung dieses beginnenden und derzeit aus dem akademischen Raum in den politischen Raum vordringenden Paradigmenwechsels der ökonomischen Wissenschaften wird der Denkraum sich diesem Thema demnächst vorrangig widmen.

Als Einführung in die Thematik hier ein kürzlicher Leitartikel von Stephan Kaufmann für die Frankfurter Rundschau, in dem unter dem Titel „Das gescheiterte Weltbild der Wirtschaft“ über eine viel beachtete internationale Konferenz des Institute for New Economic Thinking (INET) mit dem Thema “Paradigm Lost: Rethinking Economics and Politics“ berichtet wird, die im April in Berlin stattfand. (Hervorhebungen von mir. MW)

Ökonomen zweifeln nach der globalen Finanzkrise an ihren alten Wahrheiten – und suchen auf einer Konferenz in Berlin nach neuen. Ihr größtes Problem sind die Dinge, die sie angeblich wissen.

Die lange als unangreifbar geltenden Theorien und Modelle taugen nicht zur Erklärung der realen Welt – so weit war man sich einig auf der Konferenz des Institute of New Economic Thinking (INET) in Berlin. Das Thema der Tagung: „Paradigm Lost“ – die verlorene Weltanschauung. Die verlorene Sicherheit.

Auf der Konferenz nahm man einige Grundlagen der herrschenden Lehre auseinander. Zum Beispiel die Annahme, die Wirtschaft finde selbstständig zu stabilen Gleichgewichten – solange der Staat sie in Frieden lässt. In solch einer Welt sind Systemkrisen nicht vorgesehen. Dieses Bild der Wirtschaft hat in den vergangenen Jahrzehnten die Politik bestimmt – mit sehr realen Folgen. Steuern für Unternehmen wurden gesenkt, Staatseigentum privatisiert, Finanzmärkte liberalisiert. Davon haben einige profitiert. Ihnen hat die herrschende Lehre in die Hände gespielt.

„Die ökonomische Wissenschaft wird erst frei sein, wenn sie sich unabhängig macht von den mächtigen Interessen der Welt – genauso wie es den Naturwissenschaften einst auch gelungen ist“, sagt Robert Johnson, Finanzinvestor und INET-Direktor.

Kritik zieht besonders das ökonomische Gesellschaftsbild auf sich. Es wird bevölkert von Menschen, die ihren Nutzen maximieren, vollständig informiert sind und ihre Entscheidungen rational auf Basis quantifizierbarer Eintrittswahrscheinlichkeiten fällen. „Menschen handeln nicht rein materiell und nutzenmaximierend“, rügt Dennis Snower, Chef des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel. „Die Welt ist kein Marktplatz.“ Viele Dinge motivierten Menschen – zum Beispiel Moral, der Wunsch nach Anerkennung oder Gemeinschaftsgefühle. „Erst wenn wir wissen, was Menschen motiviert, können wir vernünftige Theorien der Kooperation schaffen“, so Snower.

Zudem verfügen die Wirtschaftssubjekte nie – wie ökonomische Modelle annehmen – über vollständige Information. Vieles ist unbekannt und unbewusst. „Wir alle sind gezwungen, Entscheidungen unter Unsicherheit zu fällen“, erklärt der russische Ökonom Sergei Guriev. So sei „jeder Kredit eine Brücke in eine ungewisse Zukunft – und sie spannt sich stets über einen Abgrund.“ Statt berechenbarer Risiken herrsche Unsicherheit in der Welt – ob etwas geschieht oder nicht, ist schlicht nicht vorherzusagen. Die Theorie jedoch unterstellt, die Menschen würden die Wahrscheinlichkeit des Eintritts bestimmter Ereignisse kennen. „Das erzählen die Professoren ihren Studenten immer wieder“, scherzt Leijonhuvwud, „bis die Studenten merken, dass sie ihren Abschluss erst machen können, wenn sie es ebenfalls glauben.“

Die Unsicherheit – also die Unberechenbarkeit der Zukunft – untergräbt jedoch die mathematischen Modelle, in die Ökonomen die Realität pressen wollen. „Die Zukunft ist offen, mathematische Modelle aber eher geschlossen“, erklärt der britische Ökonom Tony Lawson. „Hier könnte ein Widerspruch liegen.“

Unsicherheit, unvollständige Informationen, irrationales Verhalten – all dies wollen die neuen Ökonomen in ihre Theorien integrieren. Das ist eine gigantische Aufgabe. Doch selbst wenn sie gelöst wird – kommt die Wirtschaftswissenschaft dann überhaupt noch zu gesicherten Erkenntnissen über die Welt? Kann sie dann noch – denn das will sie – Handlungsanweisungen geben? Oder bleibt sie in der Aufzählung einer unendlichen Reihe von Möglichkeiten stecken? Als ersten Schritt zur Besserung plädieren die Ökonomie-Kritiker für Vielfalt im Fach. Es soll wieder eine lebhafte Diskussion verschiedener Schulen geben statt uniformierter, ewiger Wahrheiten.

Das alte Paradigma wird zerstört. Was an seine Stelle tritt, ist offen. „Paradigm Lost“, der Titel der INET-Konferenz, spielte an auf den Epos „Paradise Lost“ des englischen Dichters John Milton. In ihm werden Adam und Eva aus dem Garten Eden vertrieben, so wie viele Ökonomen derzeit aus ihrem Modell-Paradies. Es endet mit den Worten „Sie wanderten mit langsam zagem Schritt / Und Hand in Hand aus Eden ihres Wegs“. Willkommen in der wirklichen Welt.

Siehe auch:

Herausragende Beiträge zur Grass-Debatte

Die Qualität der Kommentare und Analysen zum Grass-Gedicht ist höchst unterschiedlich. Sie reicht von wütender Polemik über oberflächliche Pauschalurteile ohne differenziertere Auseinandersetzung mit dem Werk bis hin zu klugen, sachkundigen und tiefgehenden Analysen. Im Wesentlichen letztere sollen hier aufgeführt werden.

Politisch-historische Analysen

  • Günter Grass, Israel and the crime of poetryHamid Dabashi (Wikipedia), Professor of Iranian Studies and Comparative Literature an der Columbia University (New York), stellt das Gedicht von Günter Grass in einen größeren historischen Rahmen und analysiert die Verbindung von europäischem Kolonialismus, Zionismus, Holocaust und dem heutigen Nahostkonflikt. Sehr lesenswert. – Al Jazeera, 10.04.2012
    • „European guilt about the Holocaust is absolutely necessary and healthy – it is an ennobling guilt. It makes them better human beings, for them to remember what they did to European Jewry. But, and there is the rub, they are, with a supreme hypocrisy that Günter Grass notes in his poem, spending that guilt (when not redirecting it into Islamophobia) on sustaining a colonial settlement, an extension of their own colonial legacy, in supporting Israeli colonialism in the Arab and Muslim world – as a garrison state that further facilitates their renewed imperial interests in the region. Europeans are turning their legitimate guilt into an illegitimate instrument of their sustained imperial designs on the globe, from whom Americans then take their cues.“
  • Grass hat grundsätzlich recht – kenntnisreiche und scharfsinnige Analyse von Mohssen Massarrat  (Exil-Iraner, Mitglied im wissenschaftlichen Beirat von Attac, ehemals Politik-Professor an der Universität Osnabrück) – Financial Times Deutschland, 12.04.2012
    • „Der israelische Staat hat die Angst seiner Bürger vor ausländischen Feinden zur Staatsräson erhoben. Damit hat er seine Demokratie geschwächt und die Bedrohung nur verschärft.“

Stellungnahmen zum Gedicht

Wohlwollend:
  • Friedenspreis statt Schelte für Günter Grass – Kommentar von Thomas Nehls, WDR, ARD-Hauptstadtstudio, 04.04.2012
  • Es musste gesagt werden – Debattenbeitrag von Jakob Augstein– Spiegel, 06.04.2012
    • „Mit seinem Gedicht ‚Was gesagt werden muss‘ liegt Günter Grass richtig: Er holt Deutschland aus dem Schatten der Worte von Kanzlerin Merkel, die Sicherheit Israels gehöre zur deutschen ‚Staatsräson‘. Und der Schriftsteller kritisiert zu Recht, dass Israel der Welt eine Logik des Ultimatums aufdrängt.“
Differenziert:
  • Dichten und Meinen – Anmerkungen zu Günter Grass von Thomas Steinfeld– Süddeutsche Zeitung, 04.04.2012
    • „Günter Grass beschuldigt den Staat Israel, einen Angriffskrieg gegen Iran zu planen. Sein Gedicht steckt voller Übertreibungen, die für den Schriftsteller allerdings typisch sind. (…)  In Günter Grass ist (…) die Literatur mit dem öffentlichen Auftritt des Literaten verschmolzen. Dichten und Verlautbaren sind bei ihm zwei Seiten derselben Figur geworden, das Werk ist in die Person eingewandert. (…) Der 1999 empfangene Literaturnobelpreis verwandelte ihn endgültig zum schreibenden Republikaner. Als solcher irrt Grass zwar immer wieder, doch der Irrtum gehört zum Meinen.“
  • Was auch noch gesagt werden muss – Intellektuelle melden sich in Hintergrund zu Wort. Kommentare zur Grass-Debatte von Moshe Zuckermann, Noam Chomsky, Domenico Losurdo, Rolf Verleger, Ekkehart Krippendorff, Norman Paech, Adam Keller, Michel Warschawski, Tariq Ali, Yonatan Shapira, Yakov M. Rabkin, Moshé Machover, Brian Klug, Enzo Traverso und Gilbert Achcar– hintergrund.de, 06.04.2012
    • „Hintergrund möchte (dem) Unisono der Affirmation schwarz-gelber Außenpolitik und des „War on Terror“ die Stimmen ausgewiesener Ideologiekritiker entgegensetzen. „Was halten Sie von dem Grass-Gedicht und seiner Rezeption in Deutschland“, fragten wir namhafte Intellektuelle aus den Bereichen Wissenschaft, Politik, Literatur und Kunst. Die ersten Antworten sind eingegangen, weitere werden folgen.“
  • Eine Provokation mit bedrückendem Ergebnis – Gespräch mit dem amerikanischen Historiker Fritz Stern über Günter Grass, die Debatte über dessen Gedicht und über konstruktive Kritik an Israel. – FAZ, 13.04.2012
    • „Befremden bei geteilter Sorge: Fritz Stern bedauert und kritisiert die Irreführung der Israel-Kritik durch Günter Grass. Die Notwendigkeit der Kritik an der israelischen Regierungspolitik rechtfertigt nicht dessen Form der Anklage.“
  • Gunter the TerribleUri Avnery – CounterPunch, 13.04.2012
    • „Uri Avnery is an Israeli writer and peace activist with Gush Shalom. He is a contributor to CounterPunch’s book The Politics of Anti-Semitism.“
    • autorisierte deutsche Übersetzung: Günter der Schreckliche– Homepage Uir Avnery, 14.04.2012
      • „Ich habe schon mehrfach erwähnt, dass das israelische und amerikanische Geschwätz über einen israelischen Angriff bestenfalls Teil eines von den USA geführten psychologischen Krieges ist, um die iranischen Führer zum Aufgeben ihrer (vermuteten) Nuklearambitionen zu bringen. Es ist für Israel total unmöglich, den Iran ohne ausdrückliches, vorheriges amerikanisches Einverständnis anzugreifen, und es ist für Amerika total unmöglich, anzugreifen – oder Israel einen Angriff zu erlauben – wegen der katastrophalen Konsequenzen: ein Kollaps der Weltwirtschaft und ein langer und teurer Krieg. Nehmen wir um der Argumente willen an, dass die israelische Regierung tatsächlich entscheidet, Irans nukleare Installationen anzugreifen: dies würde nicht das iranische Volk oder einen Teil davon „auslöschen“. Nur Wahnsinnige würden nukleare Bomben für diesen Zweck benützen. Die israelischen Führer sind – was immer man von ihnen denken mag – nicht wahnsinnig. Selbst wenn Israel taktische nukleare Bomben mit begrenzter Kraft und begrenztem Radius hätte (oder von den USA erhalten würde), wäre die Reaktion der Welt auf ihre Anwendung katastrophal. – Übrigens ist es nicht ihre eigene Wahl, dass die israelischen Regierungen eine Politik nuklearer Nicht-Transparenz hat. Wenn sie könnten, würden unsere Führer unsere nukleare Macht von den Dächern posaunen. Es sind die USA, die auf Unklarheit bestanden, um nicht gezwungen zu sein, etwas zu tun.“
Verrisse:
Herausgehobene, aber problematische Kommentare
  • Was Grass uns sagen will – Erläuterungen und Gedicht(über?)interpretation von FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher– FAZ, 04.04.2012
    • „Es empfiehlt sich, Gedichte von Günter Grass erst mit den Augen und dann mit dem Schraubenzieher zu lesen. Sie ähneln Ikea-Regalen. Auf dem Papier sieht alles ganz einfach aus, aber wenn man das fertige Werk erst einmal auseinander genommen hat, kriegt man es einfach nicht mehr zusammen. Ein Gedicht ist natürlich kein Regal. Man sieht von außen nicht, was in ihm steckt. Ein Gedicht ist ein Gedicht, weil es niemals sagt, was Sache ist. Seit Generationen müssen Schüler im Deutschunterricht deshalb die Frage beantworten, was der Dichter uns verheimlicht. Ganz anders der Leitartikel. Ein Leitartikel ist ein Artikel, der immer sagt, was Sache ist. Generationen von Zeitungslesern streiten sich deshalb jeden Morgen, ob sie richtig finden, was er sagt, oder falsch. Schraubt ein Autor Gedicht und Leitartikel zusammen, muss der Leser folgerichtig herausfinden, ob er richtig oder falsch findet, was der Dichter verheimlicht.“
    • Schirrmacher schaut mit dem Schraubenzieher nach und glaubt, einen „lyrischen Etikettenschwindel“ aufdecken zu können. Hinter dem manifesten Gedicht findet er ein zweites in Form eines „Subtextes“, in dem Grass durch die „Wortfelder“, die er aufrufe, „auf der Assoziationsebene“ etwas suggeriere, was er „auf der Aussageebene“ verneine, mit dem Ergebnis einer „ziemlich bestürzenden Umkehrung westdeutscher Nachkriegsdiskurse“. In diesem „Machwerk des Ressentiments“ ergreife Grass „endlich die Chance (…), einen Rollentausch vorzunehmen“, indem nun Israel eines „geplanten Völkermords“ angeklagt wird und Grass sich als „künftiger Überlebender“ äußert. So werde sein Gedicht zu einem „Dokument der ‚imaginären Rache‘ (Nietzsche) einer sich moralisch lebenslang gekränkt fühlenden Generation“. Eine anregende, weitreichende Interpretation,  jedoch voller tiefenhermeneutischer Annahmen und tiefenpsychologischer Vermutungen, die man teilen kann oder auch nicht.

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Das Grass-Gedicht: Was zutrifft und was nicht (1)

Wie Stahl Konjunktur hat, hat Lyrik ihre Konjunktur.
Die Herstellungskosten sind gering.
Man nehme: ein Achtel gerechten Zorn,
zwei Achtel alltäglichen Ärger
und fünf Achtel, damit sie vorschmeckt, ohnmächtige Wut.

Günter Grass: „Irgendwas machen“ (1967)
Auszug aus einem Spottgedicht von Grass
zu politischen Protestgedichten

Analyse des Gedichts „Was gesagt werden muss“ von Günter Grass: 1. Abschnitt

(1) Warum schweige ich, verschweige zu lange, was offensichtlich ist und in Planspielen geübt wurde, an deren Ende wir als Überlebende allenfalls Fußnoten sind. Es ist das behauptete Recht auf den Erstschlag, der das von einem Maulhelden unterjochte und zum organisierten Jubel gelenkte iranische Volk auslöschen könnte, weil in dessen Machtbereich der Bau einer Atombombe vermutet wird.

Diese zwei Sätze enthalten die folgenden sechs Aussagen:

  1. Israel behauptet, ein Recht auf einen Erstschlag gegen den Iran zu haben, weil der Bau einer iranischen Atombombe vermutet wird.
  2. Dieser Erstschlag könnte das iranische Volk auslöschen. (Somit ist impliziert, dass Israel das Recht zu einem atomaren Erstschlag behauptet.)
  3. Die Behauptung Israels, ein Recht auf einen (atomaren) Erstschlag zu haben, ist offensichtlich; dieser wurde in Planspielen geübt.
  4. An deren Ende sind wir als Überlebende allenfalls Fußnoten.
  5. Das iranische Volk wird von einem Maulhelden unterjocht und zum organisierten Jubel gelenkt.
  6. Der Autor fragt sich, warum er zu all dem schweigt bzw. diese Sachverhalte zu lange verschwiegen hat.

Die erste Aussage ist nahezu täglich in der Presse zu lesen, wobei allerdings nicht vom Einsatz von Kernwaffen die Rede ist. Grass unterstellt Israel jedoch implizit, einen Erstschlag mit Atomwaffen zu planen, denn – wenn überhaupt – könnte das iranische Volk nur auf diese Weise ausgelöscht werden. Zudem ist der Begriff „Erstschlag“ ausschließlich im Zusammenhang mit dem Adjektiv „atomar“ gebräuchlich. Bei einem präventiven Angriff mit konventionellen Waffen würde man von einem Präventivschlag oder -krieg sprechen. Diese zweite Aussage, ein israelischer Erstschlag könnte das iranische Volk auslöschen, beruht allein auf einer Phantasie des Schriftstellers und hat keinerlei Realitätsgehalt. Die israelische Iran-Politik ist ausschließlich auf die Verhinderung bzw. Ausschaltung eines möglichen iranischen Atomwaffenpotentials gerichtet und nicht auf das Auslöschen der iranischen Bevölkerung. Diese Behauptung ist absurd. Selbst ein Erstschlag mit Atomwaffen würde sich gegen die iranischen Atomanlagen richten, und würde zwar zu grauenhaften Opferzahlen in der iranischen Bevölkerung führen, sie aber nicht auslöschen.

Was mag Grass bewogen haben, eine derart infame Unterstellung in seinen Text aufzunehmen? Vermutlich wollte er ein Gegengewicht schaffen zu den (angeblichen – s.u.) Drohungen aus dem iranischen Regime, Israel zu vernichten. Da die Grass’sche Behauptung jedoch jeder realen Grundlage entbehrt, ist sie in meinen Augen eine perfide Form von Desinformation und Agitation. Mit seiner Auslöschungsphantasie malt Grass den Teufel an die Wand, in der durchsichtigen Absicht, Israel als Feindbild aufzubauen und zu dämonisieren. Iranische Vernichtungsdrohungen gegen Israel erwähnt Grass in seinem gesamten Text übrigens nicht. (Vgl. hierzu jedoch die Debatte darüber, ob es derartige Drohungen überhaupt gibt – s. auch hier und hier, aber auch die betreffenden Äußerungen des religiösen Führers des Iran, Chamenei, zu Israel.)

Die vierte Aussage, wir (die Deutschen? die Europäer?) seien am Ende der Planspiele – diesen Bezug stellt der Text her – als Überlebende nur Fußnoten, passt zu der von Grass beabsichtigten Dramatisierung der Lage. Die israelische Auffassung, berechtigt zu sein, über eine militärische Zerstörung der iranischen Atomanlagen allein zu entscheiden, könnte uns indes tatsächlich zu Fußnoten degradieren – jedoch als Überlebende der durch einen israelischen Angriff ausgelösten kriegerischen Auseinandersetzungen, nicht der Planspiele.

Dass das iranische Volk „von einem Maulhelden“ (Staatspräsident Ahmadinedschad) „unterjocht“ und „zum organisierten Jubel“ gelenkt wird, ist gleich in mehrfacher Hinsicht unzutreffend. Das iranische Volk wird von einem Regime geführt und unterdrückt, das sich komplexe Herrschaftsstrukturen geschaffen hat, und die Position des Staatspräsidenten (Regierungschefs) ist innerhalb der Führung beileibe nicht die mächtigste. Davon unabhängig ist es eine die tatsächliche Situation völlig verzerrende, irreführende Bagatellisierung, einen aggressiven Judenhasser, fanatischen Antizionisten und Holocaust-Leugner wie Ahmadinedschad auf einen „Maulhelden“ zu reduzieren. Auch diese schönfärberische Charakterisierung ist reinste Demagogie.

Fazit: dieser erste Abschnitt des Gedichts mit der Unterstellung, Israel könnte mit einem atomaren Erstschlag die Auslöschung des iranischen Volkes betreiben oder zumindest billigend in Kauf nehmen, und mit der gleichzeitigen Verharmlosung des Bedrohungspotentials der iranischen Seite ist eine groteske, boshafte Verfälschung der tatsächlichen Verhältnisse im Interesse anti-israelischer Agitation.

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Das Grass-Gedicht: Was wirklich gesagt wird

Die Debatte um das Grass-Gedicht ist vollkommen aus den Fugen geraten. Zahllose Kritiker, allen voran Dieter Graumann, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, erheben Vorwürfe, die jedes vernünftige Maß übersteigen. Als Leser steht man oft unter dem Eindruck, es ist nicht der Grass-Text, der kommentiert wird, sondern die durch das Gedicht angeregte ausschweifende Phantasie des Kommentators. Wie Graumann lassen viele Kritiker ihrem Ärger und Zorn über das provokante Werk des Nobelpreisträgers freien Lauf, ohne zu realisieren, wie sie damit einer nachträglichen Rechtfertigung Grass’scher Aussagen nur in die Hände spielen.

Für nachdenkliche Zeitgenossen sind solcherart Kritiken, die ihre pauschale Verurteilung des Gedichts und seines Autors häufig noch mit der Keule des Antisemitismus-Vorwurfs anreichern, eine Zumutung. Der Grass-Text hat immerhin eine intensive öffentliche Debatte über die Politik Israels angestoßen. Nach einer Umfrage der Financial Times Deutschland, an der sich bisher ca. 22.000 Leser beteiligten (Stand: 26.04.2012), halten 57 % der Befragten die Israel-Thesen von Günter Grass für richtig, 27 % für diskutabel, 7 % für irrsinnig und nur jeweils 4 % für gefährlich oder antisemitisch. Während also eine breite Mehrheit von 84 % der Leser die Thesen tendenziell positiv bewertet, lehnen nur 16 % sie rundheraus ab. Bei den in großer Zahl veröffentlichten Kommentaren von Intellektuellen dürfte das Verhältnis umgekehrt sein.

Der Sache angemessen ist allein eine am realen Grass-Text mit seinen zahlreichen Thesen, Behauptungen und Argumenten und an den sonstigen Fakten orientierte differenzierte Interpretation und Beurteilung des Gedichts. Grundlage einer kritischen Analyse muss zunächst der Textgehalt sein – das, was in „Was gesagt werden muss“ tatsächlich gesagt wird. Um dem näher zu kommen und die mühsam verschachtelte (Prosa-) Gedichtform des Literaturnobelpreisträgers lesbarer zu machen, wird der Text hier in einem ersten Schritt zu einer erläuternden und bewertenden Kommentierung zunächst in Prosaform wiedergegeben.

Zuvor einige Worte zu meiner eigenen Beziehung und Einstellung zu Israel. Ich habe das Land zweimal für mehrere Wochen bereist; Anfang der 1970er Jahre war ich als junger Student 6 Wochen lang mitarbeitender Gast in einem Kibbuz in der Nähe von Haifa und habe dort Apfelsinen gepflückt, Bananen gepflanzt, Hühner geimpft und im großen Speisesaal sowie in der Gemeinschaftsküche des Kibbuz Küchendienst geleistet. Als junger Deutscher war man dort ebenso willkommen wie die anderen Gäste aus aller Welt. An meine damaligen Erfahrungen denke ich ausgesprochen gern zurück. Ethnozentristisches Gedankengut ist mir in jeglicher Form zuwider.

Israels Rolle im Nahostkonflikt in den letzten ca. 15 Jahren sehe ich indessen ausgesprochen kritisch. Unter der Führung von Jiztchak Rabin und Jassir Arafat war es Anfang der 1990er Jahre zu einem echten Annäherungs- und Friedensprozess im Nahen Osten gekommen, mit dem ehrlichen Ziel einer friedlichen Koexistenz von Israelis und Palästinensern in jeweils einem eigenen Staat (vgl. Oslo-Friedensprozess). Seit der Ermordung Rabins im Jahr 1995 und der Wahl Benjamin Netanjahus zum israelischen Ministerpräsidenten im Jahr darauf ist dieser Prozess weitgehend zum Erliegen gekommen. Der Geist ehrlicher Friedfertigkeit wurde auf israelischer Seite durch die konfliktschürende Logik einer Politik der Unnachgiebigkeit und Härte ersetzt. Es fehlt an der Bereitschaft zu wesentlichen Zugeständnissen hinsichtlich der Gebietsaufteilung, und die dreiste Siedlungspolitik der Likud-orientierten Regierungen im Westjordanland ist eine einzige Katastrophe. Mit der palästinensischen Hamas-Bewegung verstrickte man sich in einen hochaggressiven „Auge um Auge, Zahn um Zahn – Konflikt“, der in Verbindung mit dem knallharten Auftreten der waffenstarrenden israelischen Sicherheitskräfte im Westjordanland bei den Palästinensern und in der ganzen arabischen Welt Hass auf Israel schürt.

Hier nun das Israel-Gedicht von Günter Grass in Prosaform.  Gedichttypische Satzbauformen wurden an einigen Stellen um der besseren Verständlichkeit willen einem Prosatext angepasst, ohne jedoch den propositionalen Aussagegehalt zu verändern. Den gesamten Text habe ich unter inhaltlichen Gesichtspunkten in 5 Abschnitte unterteilt, die in weiteren Blogbeiträgen auf ihren Wahrheitsgehalt hin geprüft und auf dieser Grundlage kommentiert werden. Durch Anklicken der Nummer des jeweiligen Abschnitts gelangt man zu den zugehörigen Erläuterungen und Kommentaren.

Was gesagt werden muss

(1) Warum schweige ich, verschweige zu lange, was offensichtlich ist und in Planspielen geübt wurde, an deren Ende wir als Überlebende allenfalls Fußnoten sind. Es ist das behauptete Recht auf den Erstschlag, der das von einem Maulhelden unterjochte und zum organisierten Jubel gelenkte iranische Volk auslöschen könnte, weil in dessen Machtbereich der Bau einer Atombombe vermutet wird.

(2) Doch warum untersage ich mir, jenes andere Land beim Namen zu nennen, in dem seit Jahren – wenn auch geheimgehalten – ein wachsend nukleares Potential verfügbar, aber – weil keiner Prüfung zugänglich – außer Kontrolle  ist? Das allgemeine Verschweigen dieses Tatbestandes, dem sich mein Schweigen untergeordnet hat, empfinde ich als belastende Lüge und Zwang, der Strafe in Aussicht stellt, sobald er mißachtet wird; das Verdikt „Antisemitismus“ ist geläufig.

(3) Jetzt aber sage ich, was gesagt werden muß, weil aus meinem Land – das von ureigenen Verbrechen, die ohne Vergleich sind, Mal um Mal eingeholt und zur Rede gestellt wird – ein weiteres U-Boot nach Israel geliefert werden soll (wiederum und rein geschäftsmäßig, wenn auch mit flinker Lippe als Wiedergutmachung deklariert), dessen Spezialität darin besteht, allesvernichtende Sprengköpfe dorthin lenken zu können, wo die Existenz einer einzigen Atombombe unbewiesen ist, doch als Befürchtung von Beweiskraft sein will.

(4) Warum aber schwieg ich bislang? Weil ich meinte, meine Herkunft, die von nie zu tilgendem Makel behaftet ist, verbiete, diese Tatsache als ausgesprochene Wahrheit dem Land Israel, dem ich verbunden bin und bleiben will, zuzumuten. Warum sage ich jetzt erst, gealtert und mit letzter Tinte: Die Atommacht Israel gefährdet den ohnehin brüchigen Weltfrieden? Weil gesagt werden muß, was schon morgen zu spät sein könnte; auch weil wir – als Deutsche belastet genug – Zulieferer eines Verbrechens werden könnten, das voraussehbar ist, weshalb unsere Mitschuld durch keine der üblichen Ausreden zu tilgen wäre.

(5) Und zugegeben: ich schweige nicht mehr, weil ich der Heuchelei des Westens überdrüssig bin; zudem ist zu hoffen, es mögen sich viele vom Schweigen befreien, den Verursacher der erkennbaren Gefahr zum Verzicht auf Gewalt auffordern und gleichfalls darauf bestehen, daß eine unbehinderte und permanente Kontrolle des israelischen atomaren Potentials und der iranischen Atomanlagen durch eine internationale Instanz von den Regierungen beider Länder zugelassen wird. Nur so ist allen, den Israelis und Palästinensern, mehr noch, allen Menschen, die in dieser vom Wahn okkupierten Region dicht bei dicht verfeindet leben, und letztlich auch uns, zu helfen.

Siehe auch:

Solidarität mit dem syrischen Freiheitskampf

Aus Solidarität mit der syrischen Bevölkerung und den tapferen Freiheitskämpfern hier einige einschlägige Links zu Informationen über den syrischen Bürgerkrieg und die revolutionären Kräfteals „Apfelbäumchen“ von mir.

  • Syria Live Blog – Al Jazeera
  • Kaum Hoffnung für SyrienAndreas Zumach bei Qantara.de, 07.02.2012
    • „Nach der gescheiterten Syrien-Resolution sind die weiteren Perspektiven für Syrien düster. Chancen für hilfreiche Einwirkungen von außen sind nach der destruktiven Konfrontation im UNO-Sicherheitsrat sowie angesichts der innersyrischen Gewalteskalation derzeit nicht erkennbar.“
      • Andreas Zumach, Jahrgang 1954, Volkswirt, Journalist und Sozialarbeiter, ist UNO-Korrespondent der taz mit Sitz in Genf. Jüngste Veröffentlichung: „Die kommenden Kriege“, Kiepenheuer & Witsch.
  • In den Fängen des Assad-ClansRudolph Chimelli (Süddeutsche Zeitung) – Qantara.de, 18.04.2011
    • „Der Assad-Clan herrscht in Syrien uneingeschränkt. Im Familienrat haben sich nun offenbar die reformfeindlichen Hardliner durchgesetzt. Zu denen gehört auch Maher al-Assad: Der Bruder des Präsidenten ist wegen seiner Grausamkeit gegenüber Oppositionellen gefürchtet.“
  • In Syria, We Need to Bargain With the DevilNicholas Noe is a contributing writer for Bloomberg View and the editor of “Voice of Hezbollah: The Statements of Sayyed Hassan Nasrallah.” – New York Times, 06.02.2012
    • „Almost one year after anti-government protests began in Syria, a disaster of enormous moral and strategic proportions is fast approaching. Full-scale civil war is now likely. And a multifront, conventional and possibly unconventional war ignited by events in the Levant is also increasingly plausible.“
  • West Must Not Intervene Militarily in SyriaEd Husain, Senior Fellow for Middle Eastern Studies – CFR/CNN, 09.02.2012
  • New Version Of Eisenhower Doctrine And US Policy In SyriaAlexey Pilko (Associate Professor at the Department of World Politics, Moscow State University) analysiert aus russischer Perspektive die Lage nach der am Veto von Russland und China gescheiterten Sicherheitsratsresolution wg. Syrien – Eurasia Review, 10.02.2012
  • Syrien: Kein Frieden zu sichernAndreas Ross über die schwierigen Bemühungen der arabischen Liga, Einfluss auf die Lage in Syrien zu nehmen – FAZ, 13.02.2012
    • „Die Arabische Liga prescht in der Syrien-Krise weiter voran. Gemeinsam mit den Vereinten Nationen will sie nun eine Friedenstruppe aufstellen. Doch es gibt Zweifel, ob „Blauhelme“ das probate Mittel wären.“

Themenseiten zur Lage in Syrien

Think Tanks zu Syrien

Wikipedia

Zum Bürgerkrieg:
Zu Syrien allgemein:

Krisenherd Iran: eine Recherche

Ganz offensichtlich spitzt sich der Konflikt zwischen Israel und den westlich orientierten Staaten einerseits und dem nach Atomwaffen strebenden Iran andererseits zu. Auslöser der gegenwärtigen Eskalation war der offizielle Lagebericht der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) vom 08.11.2011 zur Frage, ob der Iran an der Entwicklung von Atomwaffen arbeitet, und wie weit er damit ggf. inzwischen vorangekommen ist. In dem Report werden zahlreiche Hinweise aufgeführt, nach denen Teheran zumindest bis 2010 versuchte, Nuklearwaffen zu entwickeln. Dies würde eine Verletzung des Vertrags zur Nichtverbreitung von Kernwaffen bedeuten. 10 Tage später verabschiedete der Board of Govorners der IAEA  eine Resolution, mit der die iranische Regierung aufgefordert wird, alle offenen Fragen zu seinem Atomprogramm „unverzüglich und vollständig“ aufzuklären.

Im März 2012 soll dem Board of Governors der IAEA erneut berichtet werden, wie weit man mit der Umsetzung dieser Resolution gekommen ist, ob der Iran also kooperiert und den erforderlichen Kontrollen durch IAEA-Inspekteure zustimmt oder nicht. Dies dürfte dann das nächste entscheidende Datum auf einem Weg sein, der im schlimmsten, aber nicht unrealistischen Fall zu einem sehr ernsthaften, den Weltfrieden bedrohenden Konflikt führen kann.

Da Israel jedoch nur noch ein Zeitfenster von etwa einem halben bis einem Jahr sieht, um zu verhindern, dass der Iran über Atomwaffen verfügt, begann Mitte November von dieser Seite ein gewaltiges Säbelrasseln. Wie schon bei früheren Gelegenheiten drohte Israel, die iranischen Atomanlagen – notfalls im Alleingang – mittels Bomben und Raketen zu zerstören, was einen Krieg im Nahen Osten mit unabsehbaren Folgen bedeuten würde. Selbstverständlich fürchtet der Westen dieses Szenario und verschärfte stattdessen seine Sanktionen gegen den Iran. Die Folge war die gewaltsame Erstürmung der britischen Botschaft in Teheran durch regierungstreue, besser regierungsgesteuerte iranische Demonstranten vor einigen Tagen. Daraufhin gab es einen engen Schulterschluss der EU-Staaten und anderer westlicher Staaten mit Großbritannien und abermals verschärfte Sanktionen.

Da ich die Lage im Iran bisher nur oberflächlich verfolgt habe, fragte ich mich, wie ich mich relativ rasch tiefergehend über den Konflikt informieren kann. Mir war daran gelegen, nicht nur journalistisch aufbereitete Presseartikel zu finden, z.B. via Google News oder auf den einschlägigen Themenseiten von Spiegel, Zeit etc., sondern auch Studien, Analysen und Kommentare von Experten.

In diesem Artikel las ich von einem Iran-Experten bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP – finanziert vom Bundeskanzleramt), Walter Posch. Auf dessen Webseite fanden sich einige Artikel, die mir interessant und und auch aktuell genug schienen (s.u.). Auf der SWP-Webseite entdeckte ich zudem den Link zu IREON – einem Fachportal für Internationale Beziehungen und Länderkunde („Ihr zentraler Rechercheeinstieg für wissenschaftliche Literatur“) mit einer Suchfunktion in mehreren einschlägigen Datenbanken. Dort gab ich „Iran“ ein, Erscheinungsjahr „2011“ und aktivierte das Kästchen „Suche nur nach Volltexten“. Das Ergebnis waren 82 Treffer. Einige davon sind unten aufgeführt und verlinkt.

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Militärisches Eingreifen in einen Bürgerkrieg: völkerrechtswidrig, aber doch gerecht?

Ein militärisches Eingreifen anderer Staaten in einen Bürgerkrieg zugunsten der bewaffneten Rebellen verstößt, wie ich gelernt habe, eindeutig gegen das Völkerrecht.

In dem Augenblick, in dem die Zivilbevölkerung in einen bewaffneten Kampf gegen die Staatsgewalt eintritt, werden diese bewaffneten Kämpfer völkerrechtlich zu Kombattanten und hören auf, zur Zivilbevölkerung zu gehören. Auch in Libyen ist ein Schutz der bewaffneten Rebellen oder gar ein Eingreifen zu ihren Gunsten durch die Alliierten völkerrechtlich illegal und auch durch die Sicherheitsratsresolution 1973 nicht gedeckt.

In Libyen herrscht Bürgerkrieg – anders als in Tunesien und Ägypten, wo die Bevölkerung keinen bewaffneten Kampf geführt hat (Steine und Straßenblockaden zählen nicht). Für das Eingreifen fremder Mächte in einen Bürgerkrieg gilt:

„Die militärische Intervention zugunsten der Aufständischen verletzt das Gewaltverbot der UN-Charta und ist deshalb immer völkerrechtswidrig. Auch sonstige Unterstützung der Aufständischen stellt einen unzulässigen Eingriff in die inneren Angelegenheiten eines anderen Staates dar. Humanitäre Hilfe für die Opfer und technische sowie wirtschaftliche Hilfe dürfen geleistet werden, wenn letztere nicht dazu gedacht sind, den Ausgang des Bürgerkrieges zu beeinflussen.(…) Die Einstufung eines bewaffneten Konflikts als Bürgerkrieg birgt für die Beteiligten, insbesondere für die Aufständischen, im Hinblick auf das humanitäre Verhalten der Gegenseite erhebliche Nachteile. Nach dem Völkerrecht gilt ein Bürgerkrieg (…) als innere Angelegenheit eines Staates.“ (aus: Bürgerkrieg – Wikipedia)

Nun gäbe es zwei Möglichkeiten: Entweder die – jetzt unter NATO-Befehl stehenden – Alliierten passen sich an das Völkerrecht an, halten es ein, mit der Folge, dass sie ihre Luftangriffe zugunsten der Rebellen einstellen müssten – oder sie setzen sich darüber hinweg, verletzen es damit, verletzen auch die Sicherheitsratsresolution 1973, und rechtfertigen ihr völkerrechtswidriges Eingreifen unter der Hand mit einem höherwertigen Moralurteil: der Kampf der bewaffneten libyschen Rebellen gegen den menschenverachtenden Despoten Gaddafi sei „gerecht“ und eine alliierte Unterstützung gegen dessen überlegene Militärmaschine daher geboten – Völkerrecht hin und her.

Ein vertracktes Dilemma. Vermutlich müssten die Alliierten, wenn sie den libyschen Rebellen unterstützend beispringen und sich gleichzeitig völkerrechtlich korrekt verhalten wollten, dem libyschen Staat sogar offiziell den Krieg erklären. Würden sie natürlich niemals machen. Stattdessen dehnen sie die Sicherheitsratsresolution, die zum Schutz der Zivilbevölkerung (nicht der bewaffneten Rebellen) auffordert, tun gegenüber der in dieser Hinsicht unkundigen Öffentlichkeit so, als seien die Luftangriffe gegen Gaddafis Truppen durch die UN-Beschlüsse gedeckt, und setzen darauf, dass das Herz der Menschen ohnehin den Rebellen gehört und dies in der öffentlichen Meinung den Ausschlag gibt.

Hier steht also das offizielle, von der Völkergemeinschaft anerkannte Völkerrecht gegen Herz, Gerechtigkeitsgefühl und gesundes moralisches Volksempfinden.

Mhmh. Gibt es einen Weg aus diesem Dilemma?

Wertvorstellungen: Obama vs. Westerwelle/Merkel

Gestern hielt Präsident Obama in der National Defense University (Washington) eine mit Spannung erwartete Rede über das militärische Engagement der USA in Libyen. Zunächst einige Auszüge, dann unten mein Kommentar:

„Libya sits directly between Tunisia and Egypt -– two nations that inspired the world when their people rose up to take control of their own destiny.  For more than four decades, the Libyan people have been ruled by a tyrant -– Muammar Qaddafi.  He has denied his people freedom, exploited their wealth, murdered opponents at home and abroad, and terrorized innocent people around the world –- including Americans who were killed by Libyan agents.

Last month, Qaddafi’s grip of fear appeared to give way to the promise of freedom.  In cities and towns across the country, Libyans took to the streets to claim their basic human rights.  As one Libyan said, “For the first time we finally have hope that our nightmare of 40 years will soon be over.”

Faced with this opposition, Qaddafi began attacking his people. As President, my immediate concern was the safety of our citizens, so we evacuated our embassy and all Americans who sought our assistance.  Then we took a series of swift steps in a matter of days to answer Qaddafi’s aggression.  We froze more than $33 billion of Qaddafi’s regime’s assets.  Joining with other nations at the United Nations Security Council, we broadened our sanctions, imposed an arms embargo, and enabled Qaddafi and those around him to be held accountable for their crimes.  I made it clear that Qaddafi had lost the confidence of his people and the legitimacy to lead, and I said that he needed to step down from power.

In the face of the world’s condemnation, Qaddafi chose to escalate his attacks, launching a military campaign against the Libyan people.  Innocent people were targeted for killing. Hospitals and ambulances were attacked.  Journalists were arrested, sexually assaulted, and killed.  Supplies of food and fuel were choked off.  Water for hundreds of thousands of people in Misurata was shut off.  Cities and towns were shelled, mosques were destroyed, and apartment buildings reduced to rubble.  Military jets and helicopter gunships were unleashed upon people who had no means to defend themselves against assaults from the air.

Confronted by this brutal repression and a looming humanitarian crisis, I ordered warships into the Mediterranean.  European allies declared their willingness to commit resources to stop the killing.  The Libyan opposition and the Arab League appealed to the world to save lives in Libya. And so at my direction, America led an effort with our allies at the United Nations Security Council to pass a historic resolution that authorized a no-fly zone to stop the regime’s attacks from the air, and further authorized all necessary measures to protect the Libyan people.

Ten days ago, having tried to end the violence without using force, the international community offered Qaddafi a final chance to stop his campaign of killing, or face the consequences.  Rather than stand down, his forces continued their advance, bearing down on the city of Benghazi, home to nearly 700,000 men, women and children who sought their freedom from fear.

At this point, the United States and the world faced a choice.  Qaddafi declared he would show “no mercy” to his own people.  He compared them to rats, and threatened to go door to door to inflict punishment.  In the past, we have seen him hang civilians in the streets, and kill over a thousand people in a single day.  Now we saw regime forces on the outskirts of the city.  We knew that if we wanted — if we waited one more day, Benghazi, a city nearly the size of Charlotte, could suffer a massacre that would have reverberated across the region and stained the conscience of the world.

It was not in our national interest to let that happen.  I refused to let that happen.  And so nine days ago, after consulting the bipartisan leadership of Congress, I authorized military action to stop the killing and enforce U.N. Security Council Resolution 1973.

We struck regime forces approaching Benghazi to save that city and the people within it.  We hit Qaddafi’s troops in neighboring Ajdabiya, allowing the opposition to drive them out. We hit Qaddafi’s air defenses, which paved the way for a no-fly zone.  We targeted tanks and military assets that had been choking off towns and cities, and we cut off much of their source of supply.  And tonight, I can report that we have stopped Qaddafi’s deadly advance. (…)

It’s true that America cannot use our military wherever repression occurs.  And given the costs and risks of intervention, we must always measure our interests against the need for action.  But that cannot be an argument for never acting on behalf of what’s right.  In this particular country -– Libya  — at this particular moment, we were faced with the prospect of violence on a horrific scale.  We had a unique ability to stop that violence:  an international mandate for action, a broad coalition prepared to join us, the support of Arab countries, and a plea for help from the Libyan people themselves.  We also had the ability to stop Qaddafi’s forces in their tracks without putting American troops on the ground.

To brush aside America’s responsibility as a leader and -– more profoundly -– our responsibilities to our fellow human beings under such circumstances would have been a betrayal of who we are.  Some nations may be able to turn a blind eye to atrocities in other countries.  The United States of America is different.  And as President, I refused to wait for the images of slaughter and mass graves before taking action.“

Die Redewendung „to turn a blind eye to something“ (etwas wissentlich ignorieren) geht übrigens zurück auf den einäugigen Admiral Nelson, der in der Seeschlacht von Kopenhagen 1801 das Signal seines Flottenchefs zum Rückzug ignorierte und dies hinterher damit begründete, er habe sein Fernrohr wohl an sein blindes Auge gehalten.

Die deutsche Bevölkerung ignoriert Gräueltaten in anderen Ländern mehrheitlich gewiss nicht. Auch unsere Regierung war selbstverständlich bestens darüber im Bilde, welche Massaker der libyschen Bevölkerung im Osten des Landes, vor allem in Benghasi, bevorstanden. Merkel und Westerwelle entschieden  jedoch, sich herauszuhalten. Die Couragierten, die in letzter Minute eingriffen, um die bevorstehenden Gräueltaten zu verhindern, Frankreich, Großbritannien und die USA, wurden durch nahezu die gesamte westliche Welt unterstützt – mit Ausnahme von Deutschland. Ich kann mich an ein ähnlich beschämendes Verhalten einer deutschen Regierung nach dem 2. Weltkrieg nicht erinnern.

Der Bevölkerung wird immer wieder gepredigt, nicht wegzuschauen, wenn wir – z.B. in öffentlichen Verkehrsmitteln – Zeugen von gewaltsamen Übergriffen werden, sondern Zivilcourage zu zeigen und beherzt einzugreifen. Merkel, Westerwelle, aber auch der feinsinnige Herr Steinmeier, haben in einem vergleichbaren Fall in ihrem Verantwortungsbereich nicht nur kläglich versagt, sie haben unsere humanistischen (aber nicht pazifistischen) Wertvorstellungen verraten: „… a betrayel of who we are.“

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Dilemma und historische Bedeutung der Libyen-Intervention

„Gaddafi darf nicht gewinnen!“ – unter dieser Überschrift veröffentlicht SPIEGEL online heute eine interessante und wichtige Analyse von Spiegel-Autor Thomas Darnstädt. Die These des promovierten Staatsrechtlers:

„Die Intervention der Alliierten in Libyen markiert eine Zeitenwende. Denn die Mächte des Weltsicherheitsrats haben entschieden: Menschenrechte sind wichtiger als Frieden um jeden Preis. Die Doktrin der Unantastbarkeit souveräner Staaten ist am Ende.“

Darnstädts weitgehende, nach meinem Eindruck allerdings reichlich optimistische Schlussfolgerung beruht vor allem darauf, dass mit der UN-Resolution 1973 zur militärischen Intervention in Libyen erstmalig ein Beschluss der UNO-Generalversammlung aus dem Jahr 2005 umgesetzt wurde, den Darnstädt zurecht als „spektakulär“ bezeichnet: die Schutzverantwortung bzw. „Responsibility to protect“. Sie besagt:

Falls ein Staat nicht willens oder in der Lage ist, seiner „Verantwortung für den Schutz seiner Bevölkerung vor Völkermord, Kriegsverbrechen, ethnischer Säuberung und Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ nachzukommen, ist die UNO „bereit, im Einzelfall und in Zusammenarbeit mit den zuständigen regionalen Organisationen rechtzeitig und entschieden kollektive Maßnahmen über den Sicherheitsrat im Einklang mit der Charta, namentlich Kapitel VII, zu ergreifen, falls friedliche Mittel sich als unzureichend erweisen und die nationalen Behörden offenkundig dabei versagen, ihre Bevölkerung vor Völkermord, Kriegsverbrechen, ethnischer Säuberung und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu schützen.“ (Der Hinweis auf Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen bezieht sich auf Artikel 42, nach dem der Einsatz von „Luft-, See- oder Landstreitkräften von Mitgliedern der Vereinten Nationen (…) zur Wahrung oder Wiederherstellung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit“ möglich ist.)

In seiner Analyse beschreibt Thomas Darnstädt die historische Bedeutung

  • der Resolution 1973 des Sicherheitsrates und
  • der durch diesen Beschluss völkerrechtlich legalisierten Intervention in Libyen:

„Niemals seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs hat die Gemeinschaft der friedliebenden Völker der Welt so schnell und so einmütig reagiert wie auf die Eskalation in Libyen – und noch nie seither so kriegerisch. Was der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen beschlossen hat – den Schutz der Menschenrechte in Libyen mit ‚allen‘, also auch mit kriegerischen Mitteln -, wird in die Geschichte des Völkerrechts eingehen: als Wendepunkt im Umgang mit Krieg und Frieden.

Am Fall Gaddafi hat der Weltsicherheitsrat ein Exempel statuiert, auf das Völkerrechtler in aller Welt seit Jahren gewartet haben. Im Angesicht eines angekündigten Massenmords entschied das mächtigste Gremium der Welt eine alte Streitfrage. Was ist wichtiger: Frieden oder Menschenrechte? Die Antwort in diesem Fall: Menschenrechte. Der Sicherheitsrat hat in seiner Resolution 1973 das Gewaltverbot ausgesetzt, das laut Uno-Charta zwischen Staaten gilt. Nun sollen Bomben und Raketen ausländischer Mächte die Libyer vor ihrem Despoten schützen.

Die Entscheidung ist zugleich eine spektakuläre Absage an die überkommene Völkerrechtslehre, wonach alle Staaten, ob gut oder böse, das gleiche Recht haben, ihre inneren Angelegenheiten allein zu lösen – also auch, wenn sie ihre Bevölkerung drangsalieren. Die Doktrin von der unantastbaren Souveränität der Staaten ist am Ende.

Der Autor zeichnet die Entwicklung nach, die zu dem Schutzverantwortungs-Beschluss der UNO geführt hat:

„Frieden, diese Doktrin hatte stets gegolten, hat Vorrang vor Menschenrechten: Es wird kein Krieg angefangen, um Blutvergießen zu verhindern. So musste 1999 die Nato ihren Bombeneinsatz gegen Serbiens Gewaltherrscher Slobodan Milosevic zum Schutz der Kosovaren ohne den Segen des Sicherheitsrats durchziehen – völkerrechtlich gesehen ein rechtswidriger Überfall auf einen fremden Staat.

Ruanda, Kongo, Bosnien, Darfur: Die Jahrtausendwende war geprägt von Massakern, Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Und die Uno sah zu: Nichts schien schlimm genug zu sein, um ein militärisches Eingreifen zu rechtfertigen. Viele Völkerrechtler forderten daraufhin, dass dieser Club der souveränen Staaten die Menschenrechte nicht nur mit internationalen Gerichten, sondern auch mit Panzern und Raketen schützen müsse. Daraus entstand schließlich ein spektakulärer Beschluss der Uno-Generalversammlung: 2005 formulierten die Staatenvertreter ganz, ganz vorsichtig, die Weltgemeinschaft habe eine ‚Responsibility to protect‘ (‚R2P‘). Diese könne unter Umständen und mit Billigung des Sicherheitsrats zum Schutze vor Völkerrechtsverbrechen auch mit ‚nicht friedlichen‘ Mitteln ausgeübt werden. Aber, schränkte das Gremium ein, nur ‚von Fall zu Fall‘. (…) Und so fragten sich die Experten: Würde das zaghafte R2P-Papier der Uno jemals einen militärischen Angriff auf Menschenquäler in Gang bringen können?

Sechs Jahre lang hielten Menschenrechts-Streiter den Atem an. Wann würde R2P erstmals auf die Probe gestellt? Gaddafi ist der Fall, auf den alle gewartet hatten. So ist nachvollziehbar, dass nach der Mehrheitsentscheidung in New York nicht nur bei den libyschen Rebellen Jubel ausbrach – sondern auch bei vielen Völkerrechtlern. Und dass Deutschland, das sich in dieser Schicksalsfrage der Stimme enthalten hat, als verantwortungslos kritisiert wurde.“

Es gibt jedoch ein Dilemma:

„Der Fall Gaddafi zeigt zugleich, wie problematisch die neue Lehre des Völkerrechts ist. Denn im Engagement der Koalition für Libyen überschneiden sich zwei Ziele, die kaum voneinander zu trennen sind: der Schutz der Zivilbevölkerung und die Beseitigung des Menschenquälers in Tripolis.

Gaddafi darf nicht gewinnen: Hinter diesem Satz steckt der unbedingte Wunsch, die Menschen zu retten, die er bedroht – und womöglich auch den Aufständischen zum Erfolg zu verhelfen, die ihn vertreiben wollen. Doch der zweite Teil des Plans – das Eingreifen in den Bürgerkrieg – steht der Uno nicht zu.“

Das völkerrechtliche Dilemma lässt sich noch exakter formulieren –  es besteht zwischen dem Gewaltmonopol der Regierung eines souveränen Staates hinsichtlich seiner inneren Angelegenheiten einerseits und dem Schutz der Zivilbevölkerung andererseits:

Bis zu welchem Punkt hält sich die Völkergemeinschaft heraus, wenn ein Staat militärisch gegen Aufständische vorgeht, und ab wann greift sie zum Schutz der Zivilbevölkerung ein – und setzt sich damit über das völkerrechtlich garantierte Gewaltmonopol des jeweiligen Staates hinweg? Stellen wir uns vor, in einigen Regionen Chinas kommt es zu Volksaufständen, denen die chinesischen Machthaber militärisch begegnen würden. Was dann? Wie soll die Völkergemeinschaft reagieren, wenn die arabische Demokratiebewegung auch im Iran zu breiten Aufständen führt? Und was ist mit Tschetschenien?

Am Ende seiner Analyse formuliert der Spiegel-Autor Befürchtungen hinsichtlich der Folgen der Intervention in Libyen (die ich nicht teile bzw. für übertrieben halte):

„Wer versucht, Gaddafi dauerhaft von der Macht zu vertreiben, könnte damit den edlen Plan zunichte machen, die Menschenrechte von Zivilisten zu schützen. Im schlimmsten Fall könnte das zu einem jener Kriege führen, die zu verhindern die Uno einst gegründet worden ist: einem puren Machtkampf um die Vorherrschaft am Mittelmeer.“

Man kann in einem Bürgerkrieg die Menschenrechte der Zivilisten nicht schützen, ohne in den Bürgerkrieg einzugreifen. Das ist schlechterdings unmöglich. Im libyschen Bürgerkrieg kämpft die Zivilbevölkerung gegen ein Terrorregime, um sich davon zu befreien. Gegen diese kämpfenden ebenso wie gegen die nicht-kämpfenden Zivilisten setzt Gaddafi – mehr oder weniger unterschiedslos – seine gesamte Militärmaschine ein. Die libysche Zivilbevölkerung ist nur zu schützen, indem nicht nur Gaddafis Flugzeuge, sondern auch seine anderen Vernichtungswaffen zerstört oder zumindest in Schach gehalten werden – und zwar solange, bis er den Kampf gegen seine revoltierende Bevölkerung einstellt.

01.04.2011:

Inzwischen habe ich gelernt, dass es – aus völkerrechtlicher Perspektive – so einfach nicht ist. In dem Augenblick, in dem die Zivilbevölkerung in einen bewaffneten Kampf gegen die Staatsgewalt eintritt, werden diese bewaffneten Kämpfer völkerrechtlich zu Kombattanten und hören auf, zur Zivilbevölkerung zu gehören. Auch in Libyen ist ein Schutz der bewaffneten Rebellen oder gar ein Eingreifen zu ihren Gunsten völkerrechtlich nicht legitim und auch durch die Sicherheitsratsresolution 1973 nicht gedeckt (s. unten der Hinweis auf Prof. Reinhard Merkel).

Die Frage ist nur, was geändert bzw. angepasst werden sollte: Das Handeln der Alliierten in Libyen an das Völkerrecht, oder das Völkerrecht an den gesunden menschlichen Moralverstand.

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Auszug aus dem Wikipedia-Artikel „Bürgerkrieg“:

„Die militärische Intervention zugunsten der Aufständischen verletzt das Gewaltverbot der UN-Charta und ist deshalb immer völkerrechtswidrig. Auch sonstige Unterstützung der Aufständischen stellt einen unzulässigen Eingriff in die inneren Angelegenheiten eines anderen Staates dar. Humanitäre Hilfe für die Opfer und technische sowie wirtschaftliche Hilfe dürfen geleistet werden, wenn letztere nicht dazu gedacht sind, den Ausgang des Bürgerkrieges zu beeinflussen. (…)

Die Einstufung eines bewaffneten Konflikts als Bürgerkrieg birgt für die Beteiligten, insbesondere für die Aufständischen, im Hinblick auf das humanitäre Verhalten der Gegenseite erhebliche Nachteile. Nach dem Völkerrecht gilt ein Bürgerkrieg eigentlich als innere Angelegenheit eines Staates. “

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Ein weiterer Spiegel-Artikel von heute (Autor: Carsten Volkery) greift das beschriebene Problem auf und denkt es weiter: „Was tun mit Gaddafi?“ „Der Westen steht vor einem Dilemma: Die Uno-Resolution deckt keinen militärisch erzwungenen Regimewechsel in Libyen – doch solange Gaddafi an der Macht bleibt, ist sein Volk in Gefahr. Wäre ein Volltreffer auf Gaddafis Residenz die Lösung?“

Eine andere völkerrechtliche Auffassung vertritt u.a. Prof. Reinhard Merkel, Professor für Strafrecht und Rechtsphilosophie an der Universität Hamburg, in einer ausgezeichneten Hörfunksendung des Hessischen Rundfunks: Libyen – Die Bomben und das Völkerrecht

Kritisch äußert sich auch Ulrich Ladumer (Zeit): „Eine Intervention voller Widersprüche“ (29.03.2011)

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Vor dem Hintergrund des oben dargelegten Dilemmas gibt es unter Völkerrechtlern, Friedensforschern und  Menschenrechtsaktivisten eine umfangreiche, engagierte Debatte um die Bedeutung und Auslegung des UN-Beschlusses zur „Responsibility to Protect“ sowie der Resolution 1973 des Sicherheitsrates: daher hier Informationen und Links zu einigen wichtigen Diskussionsbeiträgen.