Handelsblatt-Newsletter Finance Today, 16.11.2011:
Flächenbrand im Euroland
Nach drei Tagen Debatte über ihr Regierungsprogramm stellt sich die neue griechische Regierung unter Ministerpräsident Lucas Papademos heute im Parlament in Athen einer Vertrauensabstimmung. Trotz angekündigter harter Einschnitte gilt die Zustimmung als sicher, da die Parteien, die den früheren Vizepräsidenten der Europäischen Zentralbank unterstützen, zusammen mehr als 250 der insgesamt 300 Abgeordneten stellen. Unterdessen zeigt sich die internationale Wirtschaftspresse besorgt, weil sich die Euro-Krise immer stärker von der Peripherie zu den Kernländern verlagert: Auf dem Markt für Staatsanleihen geraten auch Frankreich, Belgien und Österreich unter Druck, die um den Verlust ihrer Top-Bonitätsnote „AAA“ fürchten müssen; erstmals stehen auch Papiere aus den mit dem Triple-A bewerteten Niederlanden auf der Verkaufsliste der Investoren. Die Einteilung der Eurozonen-Staaten in die drei Gruppen Kernländer, Wackelkandidaten und Bail-out-Staaten sei seit den gestrigen enormen Spread-Ausweitungen passé, kommentiert die» Börsen-Zeitung „Sollte der Trend anhalten, wird der Kern nur noch aus Deutschland bestehen“, prognostiziert das » Wall Street Journal. Die Financial Times Deutschland lenkt die Diskussion auf die alles entscheidende Frage, ob die Europäische Zentralbank am Ende zur „geldpolitischen Bazooka“ greifen werde, um unbegrenzt Staatsanleihen zu kaufen und den „verheerend verselbstständigten“ Zinsanstieg zu stoppen. Trotz der wachsenden Zahl der Befürworter solcher Maßnahmen wehre sich Bundesbank-Chef Jens Weidmann weiterhin gegen die ausgeweitete Staatsfinanzierung per Notenbank. Die» Business Times aus Singapur wundert sich, dass die Eurozonen-Länder bislang nicht stärker Gold als Lösung für die Krise in Betracht gezogen hätten. Es sei doch mehr als offensichtlich, dass goldgedeckte Anleihen dem Euroraum eine Atempause und Zeit verschaffen würden.
Handelsblatt-Newsletter Finance Today, 18.11.2011:
„Die Endphase Europas hat begonnen“
Die internationale Wirtschaftspresse zeigt sich heute extrem europaskeptisch. Die » Börsen-Zeitung untersucht das angespannte Verhältnis von Angela Merkel und David Cameron (der heute nach Berlin kommt). Der eine wolle die Handlungsspielräume für die einzelnen Mitgliedsstaaten wieder vergrößern, die andere eine engere Verflechtung der Staaten. „Was wollen die Engländer eigentlich noch in der EU?“, begrüßt die » Bild-Zeitung den Premierminister. Die » Welt geißelt dagegen die Rückkehr des „furor teutonicus“ in Gestalt von CDU-Fraktionschef Volker Kauder. Das » Wall Street Journal beobachtet, dass Deutschland und Frankreich in ihren bittersten Kampf verstrickt seien, seit die Panzer 1940 in den Ardennen explodiert seien. In der » Handelszeitung ruft US-Ökonom Nouriel Roubini den Beginn der „Endphase der Euro-Zone“ aus: „Auf wiederholte, erzwungene Umstrukturierungen der Schulden werden Austritte aus der Währungsunion folgen, was früher oder später zum Zusammenbruch der Euro-Zone führt.“ „Das Europäische Projekt wird scheitern“, versichert auch » Forbes Ein ganzer Kontinent werde nicht auf Dauer seine eigenen Interessen denen weniger mächtiger Männer unterordnen. Der jüngste Eurozonen-Rettungsplan – den bestehenden Rettungsfonds mit Geld aus China auszustatten – sei kläglich gescheitert, hält der » Economist fest. Der frühere CDU-Stratege Friedrich Merz identifiziert Europas Hauptproblem bei der mangelnden Wettbewerbsfähigkeit großer Teile des Euro-Raums in einem sich verschärfenden globalen Wettbewerbsumfeld (» HB ).
EZB: Sündenfall oder letzte Rettung?
Die Debatte über die künftige Rolle der Europäischen Zentralbank bleibt im Fokus der Medien (» FTD ). Die » Wirtschaftswoche vermutet, dass der wachsende Druck auf die EZB, im Zweifel die Geldmaschine auf Touren zu bringen, das Ergebnis einer gezielten Strategie sei, deren Hauptakteure sich erst im Lauf der kommenden Monate outen würden. José Zapatero, Spaniens Ministerpräsident, fleht die EZB um Hilfe an, nachdem sein Land Anlegern Rekordzinsen für neue Kredite bieten musste. Die Zentralbank, zitiert der » Spiegel , müsse eingreifen und „die gemeinsame Währung verteidigen“. Auch die Vermögensverwalter Jens und Jan Ehrhardt fordern im » Handelsblatt , dass die EZB Anleihen der Krisenstaaten in großem Stil aufkauft. Sonst werde der Euro nicht überleben. „Genug gesündigt“, hält die » Bild dagegen. Staatsschulden zu machen, dürfe nicht länger so billig und einfach sein.