Euro-Rettung im Billionen-Bereich?

Presseschau des Handelsblatt-Newsletters „Finance Today“ vom 19.10.2011…

Billionenteure Euro-Rettung?

Wenige Tage vor dem EU-Gipfel zur Schuldenkrise haben sich Deutschland und Frankreich laut einem Zeitungsbericht auf eine Vervielfachung des Euro-Rettungsschirms EFSF geeinigt. Wie die britische Zeitung » Guardian am Dienstag unter Berufung auf EU-Diplomaten berichtete, einigten sich die Regierungen der beiden größten Volkswirtschaften der Eurozone auf das Ziel, den EFSF auf zwei Billionen Euro aufzustocken – das Vierfache des derzeitigen Volumens. Derzeit umfasst der Rettungsschirm 440 Milliarden Euro. Die » FTD berichtet, Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) habe die Summe von maximal einer Billion Euro für den Rettungsschirm genannt. Der Hebel, durch den die Summe erreicht werden soll, soll demnach in Form einer Versicherung für Staatsanleihen kriselnder Eurostaaten in die EFSF-Richtlinien eingebaut werden. Die Unionsfraktion im Bundestag wollte die Meldungen nicht bestätigen. Schäuble habe bei der Fraktionssitzung und bei der Fraktionsvorstandssitzung keine Zahl genannt, sondern nur darauf verwiesen, dass in der EU-Kommission Modelle durchgerechnet würden, sagte Fraktionssprecher Ulrich Scharlack am Dienstagabend.

…und die Fortsetzung am 20.10.2011:

Zoff um großen Rettungs-Hebel

Während Euro-Anleger auf eine billionenschwere Hebelung des Rettungsschirms EFSF hoffen, sorgt die geplante Aufstockung inzwischen für viel böses Blut. FDP-Finanzexperte Frank Schäffler schimpft mit Blick auf den Bundesfinanzminister: „Schäuble hat vor der EFSF-Abstimmung von einem effizienten Einsatz der deutschen Steuergelder gesprochen. Jetzt wissen wir, was er damit gemeint hat.“ Das Parlament sei über die wahren Absichten getäuscht worden. Das Risiko steige durch die Hebelung „enorm“ an » (HB). Uni sono schreibt die » Börsen-Zeitung: „Es bleibt der schale Geschmack, dass die Abgeordneten in Kenntnis von nur der halben Wahrheit an die Urnen geschickt wurden.“ Die » FTD zitiert Thomas Oppermann, Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion: Das Vorgehen der schwarz-gelben Koalition trage immer mehr „Züge einer Geheimpolitik“. Die » Welt befürchtet, dass der Hebel der Einstieg in die endgültige Vergemeinschaftung der Staatsschulden in Europa zu werden drohe. Die » Süddeutsche Zeitung wundert sich, dass „Hebeln“ noch bis vor einem Jahr verpönt gewesen sei, inzwischen aber selbst beiläufigen Fernsehzuschauern locker von der Zunge komme. Die » Financial Times beschreibt, wie Nicolas Sarkozy – anders als Kollegin Angela Merkel – vor dem EU-Gipfel am Sonntag den Teufel des Untergangs der EU an die Wand malt. » Marketwatch fordert den Internationalen Währungsfonds auf, kein Geld mehr nach Europa zu überweisen.

…und am 21.10.2011:

Europäische Chaostage

Eigentlich sollte beim EU-Gipfel am Sonntag beschlossen werden, wie der Rettungsschirm genau funktioniert. Doch Deutschland und Frankreich blockieren sich gegenseitig – und brauchen nun ein weiteres Treffen (» HB ). Das » Handelsblatt berichtet, dass Barack Obama per Videokonferenz Angela Merkel und Nicolas Sarkozy die Leviten gelesen hat. Laut » Wall Street Journal hält Fed-Chef Ben Bernanke die EU-Schuldenkrise für lösbar – die Regierungschefs müssten allerdings besonnener reagieren. Paris könne nicht mehr die Illusion aufrechterhalten, dass man auf Augenhöhe mit Berlin agiere, meint die » Financial Times Der Nervenkrieg um eine für alle Beteiligten und Betroffenen tragbare Lösung habe seine höchste Eskalationsstufe erreicht, kommentiert die » Börsen-Zeitung Am Ende der Krise werde es entweder den Euro oder die freien Märkte oder den europäischen Sozialstaat nicht mehr geben, mutmaßt der Verleger Jakob Augstein im » Spiegel Die » Zeit widmet sich dem geplanten EFSF-Hebel, der die Gefahr vergrößern würde, dass das erhöhte Ausfallrisiko auf die Bonität der Staaten durchschlage, die im Ernstfall für den Ausfall gerade stehen müssten.

Wie soll es weitergehen mit den Banken?

In der » taz entwirft der Volkswirt Gerd Grözinger unorthodoxe Ansätze: Aktionäre und Manager des Finanzsektors müssten die Suppe auslöffeln, etwa indem alle Dividenden nur in Form von Zusatzaktien an die Aktionäre ausgegeben und die Gewinne in Eigenkapital überführt werden. Auch die » Financial Times Deutschland spricht sich gegen eine staatliche Rettung der Finanzindustrie aus. Die Regierungen müssten nur eine feste Eigenkapitalquote vorgeben, den Rest müssten die Banken leisten; bluten müssten mitunter die Aktionäre der Banken. Die » Financial Times zeigt, wie Investmentbanken Gesetzeslücken ausnützen, um weiterhin hohe Boni auszuschütten. Und findet im Archiv eine Bank aus Chicago, die sich während der Großen Depression vorbildlich transparent gezeigt habe (» FT ). Die NGO » Finance Watch spricht sich dagegen aus, dass Banken ihre Bilanzen abspecken, um weniger Eigenkapital vorhalten zu müssen – dies würde zu einer Kreditklemme in der „Realwirtschaft“ führen.

…und am Montag nach dem „ultimativen Euro-Rettungsgipfel“ (Teil 1):

EU-Gipfel: schlechte Laune, Verzweiflung und Verleumdungen

Auch wenn der EU-Gipfel von Brüssel ohne konkrete Beschlüsse zu Ende ging und am Mittwoch fortgeführt werden soll – Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy haben sich offenbar auf einen Dreiklang aus Schuldenschnitt für Griechenland, Rekapitalisierung der Banken plus Hebel für den EFSF geeinigt (» HB ). „Europa versucht, seine Krise mit Babyschritten zu lösen“, fasst das österreichische » Wirtschaftsblatt seine Enttäuschung zum Gipfel in Worte. „Sechs Tage, sechs Nächte. Vor den Augen der Weltöffentlichkeit macht der Supertanker EU seinem Ruf alle Ehre, schwerfällig bis manövrierunfähig zu sein“, schreibt der » Spiegel Der » Business Insider feiert Belgiens Finanzminister Didier Reynders , der den Euro-Gipfel verlassen habe, um stattdessen ins Kino zu gehen: „Er war der einzige Weise, der realisiert hatte, wie sinnlos dieses Treffen war.“ Der Auftakt zum Gipfel-Marathon sei so chaotisch abgelaufen wie selten, beobachtet der » Standard Wenn es zwischen Deutschland und Frankreich krache, stehe die EU still, berichtet die » FTD vom „Gipfel der schlechten Laune“. „Verzweiflung und Verleumdungen“ hat der britische » Telegraph auf den „Fluren der Macht“ in Brüssel wahrgenommen. » Marianne aus Frankreich kritisiert die Merkelsche Machtfülle: „Im Römischen Reich, das einst die Nationen Europas einigte, wurden alle Entscheidungen vom Senat in Rom getroffen. Doch wie wir wissen, befindet sich Rom nicht mehr in Rom, sondern vielleicht in Berlin.“ Die auf dem Gipfel beschlossene Kapitalaufstockung für europäische Banken kommt Nobelpreisträger Paul Krugman in der » NYT wie ein „Verschieben von Liegestühlen auf der Titanic“ vor. Dieses Gipfel-Wochenende von Brüssel markiere den Wendepunkt der Krise, hofft dagegen die » Süddeutsche Endlich hätten die Euro-Retter erkannt, dass der EFSF nur arbeitsfähig bleibe, wenn sich private Gläubiger an den Kosten der griechischen Krise beteiligten.

Dienstag, 25.10.2011:

Banken zwischen Hoffen und Bangen

Die internationale Wirtschaftspresse sieht die Lage der Banken heute weniger rosig. Das » Wirtschaftsblatt aus Österreich meint, viele Institute hätten es verpennt, sich zwischen November 2010 und Juli 2011 Kapital zu besorgen. Die »  FTD fordert die Banken zu einem freiwilligen Forderungsverzicht gegenüber Griechenland auf. Dieser Schritt wäre nicht nur lindernd für die Hellenen, sondern auch hilfreich für die Euro-Staaten, die allein aus Gründen der Verteilungsgerechtigkeit auf einer Haftung des Bankensektors bestehen müssten. Die kanadische » The Globe and Mail sieht die Bankenchefs vor einer gewaltigen Aufgabe, sich mehr Kapital zu beschaffen.

Mittwoch, 26.10.2011 – Zahltag:

Hoffen auf den deutschen Mega-Scheck

Auf dem zweiten EU-Gipfel binnen vier Tagen soll heute in Brüssel der große Befreiungsschlag im Kampf gegen die Schuldenkrise gelingen. Vorher steht eine Abstimmung im Bundestag an: Dabei dürfte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) eine breite Rückendeckung für ihren Kurs bekommen. Am Abend treffen sich in Brüssel zunächst die Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Mitgliedsländer. Anschließend beraten die „Chefs“ der 17 Euro-Länder über Maßnahmen, die Europa finanziell wieder auf Kurs bringen sollen. Einig werden müssen sich die Länder im Kern über drei Themen: Neue Finanzhilfen für Griechenland, die Beteiligung der Banken an den Rettungskosten und eine Stärkung des Krisenfonds für angeschlagene Euro-Länder (EFSF).»  HandelsblattUnterdessen laufen Ökonomen Sturm gegen Forderungen von Seiten der Regierungen an die Europäische Zentralbank (EZB), ihr Programm zum Ankauf von Staatsanleihen fortzusetzen.Clemens Fuest, Professor für öffentliche Finanzen an der University of Oxford, sagte auf Anfrage der » Börsen-ZeitungIch wäre über eine solche Abmachung zwischen Deutschland und Frankreich entsetzt.“ Die » Süddeutsche Zeitung geht davon aus, dass der Bundestag heute Angela Merkel mit einem starken Mandat für die Verhandlungen zur Rettung des Euro ausstatten wird. Die » Zeit hält es für richtig, die Euro-Entscheidung an das Parlament zu übertragen. Die britische » Financial Times schreibt: „Die Motive der Finanzmärkte und ihres Fürsprechers, US-Finanzminister Timothy Geithner, seien ebenfalls klar: Sie strebten gar keine europäische, sondern eine deutsche Lösung an: Die deutsche Regierung solle einen sehr großen Scheck ausstellen“.
Weitere Links: » FTD »  Welt » NZZ » Spiegel » Wall Street Journal

Fortsetzung hier.

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2 Kommentare

  1. Ich muß mich jetzt erstmal am Kopf kratzen. Hebel. Also wie ist das.

    Banken nehmen günstig Geld am „Geldmarkt“ auf bzw. erzeugen es mit Hilfe der Zentralbank aus dem Nichts. Das Geld verleihen sie dann an einen abgewirtschafteten und „heruntergerateten“ Staat, dessen Staatsanleihen enorme Zinsen bringen – zu einem enormen Risiko (daß die hohen Zinsen, die das Risiko widerspiegeln sollen, wiederum das Risiko selber erzeugen, lasse ich für den Augenblick beiseite). Man muß kein Astrophysiker sein, um zu erahnen, daß der abgewirtschaftete Staat in Zahlungsschwierigkeiten gerät, da ja Zahlungsschwierigkeiten bereits der Grund für das schlechte Rating und die hohen Zinsen waren. Weiter gehts… Die Banken sitzen auf faulen Anleihen. Jetzt soll der Staat einspringen, um die Banken zu stützen. Das tut er, indem er den Banken eine Mindestgarantie gibt für die faulen Staatsanleihen. Aus Steuergeldern. Und jetzt gehen die Banken her, und besorgen sich billiges Geld von der Zentralbank, kaufen dafür hochverzinste Staatsanleihen herabgewirtschafteter Länder, nur daß sie diesmal obendrauf einen garantierten Rückkaufwert für die Anleihen bekommen. Aha. Kurz gesagt: wir finanzieren eine Gewinn-Ausfallversicherung für die Geschäfte der Banken. Dummerweise muß das herabgewirtschaftete Land aber noch immer Zinsen bezahlen.

    Hier ist mein Gegenvorschlag: lasst die Banken eine nach der anderen fein säuberlich vor die Wand klatschen. Solange das Risikomanagement der Banken darauf vertrauen kann, daß die Bürger irgendwie schon einspringen werden, solange wird alles so weitergehen. Immer weiter und weiter. Wir wollen mal nicht vergessen, daß der „Finanzsektor“ zunächst einmal ein völlig unproduktiver Wirtschaftszweig ist. Banken produzieren gar nichts. Es ist ohne Schwierigkeiten eine Wirtschaft vorstellbar, in der die Banken eine völlig untergeordnete Rolle spielen – als (Auf-) Bewahrer und Vermittler von Geld. Gegen eine kleine Gebühr. In bescheidenen kleinen regionalen Büros. Ohne Megaglastürme rund um den Globus.

    Wie lautet der Kampagnen Slogan noch: „Rettet die Menschen“, nicht die Banken. Recht so. Ich bin 43 Jahre alt, und ich kann mich gut daran erinnern, daß mein Vater, der als Maurermeister eine kleine Baufirma hatte, seinen Mitarbeitern am Zahltag Lohntüten in die Hand gedrückt hatte. Mit Bargeld darin. Das war nicht im Mittelalter. Wir reden über die 70ger. Zu dieser Zeit hatten so manche Leute noch kein Bankkonto. Heute haben wir andere Zeiten. Und wir sollten unsere Kreativität schweifen und walten lassen, ob und wie wir ein neues, anderes Normalbürger-Banksystem schaffen können, das ins 21ste Jahrhundert passt. Am besten gleich zusammen mit einem zukunftsfähigen Geldkonzept, das nicht inheränt zu exponentiellem Wachstumswahn zwingt. Ein paar Ansätze wie Bitcoin & Co sind ja bereits unterwegs und rufen hinter den Kulissen nervöses Jucken und Zucken bei den wenigen Lobbyisten hervor, die begreifen was da vor sich geht.

    (Hervorhebungen von Markus Wichmann)

    Antworten
  1. Schranken für die Banken – Gedanken zur Rückbindung des Finanzsektors an die Wirklichkeit – Ein Gastbeitrag von Stefan Thiesen « Denkraum

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