„If a bank is too big to fail, it is too big“– diese Warnung stammt angeblich von dem amerikanischen Ökonomen Hyman Minsky. Im deutschsprachigen Raum werden Banken, die „to big to fail“ sind, als systemrelevant bezeichnet. Unter welchen Voraussetzungen eine Bank systemrelevant ist, erläutert Artikel 6 Abs. 2 der „Aufsichtsrichtlinie der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin)“:
„Systemrelevante Institute sind Institute, deren Bestandsgefährdung aufgrund ihrer Größe, der Intensität ihrer Interbankbeziehungen und ihrer engen Verflechtung mit dem Ausland erhebliche negative Folgeeffekte bei anderen Kreditinstituten auslösen und zu einer Instabilität des Finanzsystems führen könnte.„
Daraus folgt, dass es grundsätzlich zwei verschiedene Ansatzpunkte bzw. Herangehensweisen gibt, um eine derartige Negativentwcklung zu vermeiden:
- Banken, deren Insolvenz derart „erhebliche negative Folgeeffekte bei anderen Kreditinstituten auslösen“ könnte, dass in diesem Fall das gesamte Finanzsystem instabil werden würde, sollten so organisiert sein, dass eine Insolvenz ausgeschlossen oder zumindest extrem unwahrscheinlich ist – z.B. durch eine drastische Erhöhung der Eigenkapitalquote.
- Die BaFin-Richtlinie nennt zudem drei Bedingungen, die im Insolvenzfall zu den gefürchteten negativen Auswirkungen führen würden:
- die Größe der Bank (vermutlich gemessen an der Bilanzsumme)
- eine hohe Intensität ihrer Interbankbeziehungen, sowie
- eine enge Verflechtung mit dem Ausland.
Sorgt man also für eine Reduktion dieser drei Faktoren auf ein unschädliches Maß, so wären die systemrelevanten Risiken im Pleitefall eingedämmt.
Die neuerdings (wieder) diskutierte unternehmensrechtliche Trennung von Geschäfts- und Investmentbanken ist ein Beispiel für die letztgenannte Herangehensweise. Sie würde eine Menge Probleme lösen.
Die Sache ist recht einfach: Gravierende Risiken entstehen praktisch immer im Investmentbankbereich. Das ist der Bereich, in dem Banken sich leicht einmal verzocken, wobei die Verluste aber nur dann auf den Geschäftsbankenbereich durchschlagen können, wenn es sich um ein und dasselbe Unternehmen handelt. Systemisch relevant bei Großbanken ist vorwiegend der Geschäftsbankenbereich, also das normale Einlagen- und Kreditgeschäft, denn in diesem Bereich kann es u.a. zu dem gefürchteten Bank Run kommen: Die Kunden stehen Schlange, alle wollen ihr Geld abheben. Eine reine Investmentbank dürfte schon eher mal Pleite gehen, ohne dass viel „systemisches Unheil“ angerichtet wird – vorausgesetzt, sie wäre nicht zu groß und es gäbe kein weitreichendes Geflecht von Interbankenbeziehungen im In- und Ausland.
Banker argumentieren nun, große Teile des Investmentbank-Bereichs würden doch nur ganz normales Geschäft für Firmen- bzw. Großkunden machen – z.B. das risikolose Mergers & Acquisitions-Beratungsgeschäft. OK, dann muss man die Unternehmensstruktur der Großbanken eben neu organisieren: das herkömmliche und – aus systemischer Perspektive – risikoarme Privat- und Firmenkundengeschäft zu den Geschäftsbanken, die heißen Spekulationsgeschäfte mit Derivaten und Credit Default Swaps (CDS) sowie alle Geschäftsarten, bei denen ein Scheitern die ganze Bank gefährden würde, in den Investmentbereich.
Das gab’s schon mal. Sogar in den Vereinigten Staaten. 1933 beschloss der amerikanische Kongress den Glass-Steagall-Act, mit dem die Trennung von Investment- und Geschäftsbanken vorgeschrieben wurde. Vorher waren, wie heute, die Geschäftsfelder Investment- und Commercial-Banking unter dem Dach einer Universalbank, und das hatte in der Weltwirtschaftskrise Bankpleiten befördert. 1999 wurde der Glass-Steagall-Act unter Clinton wieder aufgehoben.
Die Banker mögen diese Aufspaltung natürlich nicht. Sie würden das als Kastration empfinden. Herr Ackermann nicht mehr Chef der ganzen Deutschen Bank, sondern nur noch einer Hälfte? Unvorstellbar. Da sei die Bankenlobby vor! Wobei es zwei ungleiche Hälften wären: Die Geschäftsbank hätte viel mehr Mitarbeiter, die Investmentbank viel höhere Gewinne. Deshalb könnte sie auch mehr Risiken tragen.
Kastration hin, Lobby her – merkwürdig, dass diese äußerst sinnvolle Initiative erst jetzt verstärkt ins Gespräch kommt.
Siehe auch:
- „Die umstrittene Bankentrennung von 1933“ – Wirtschaftswoche, 29.01.2010
- „Deutsche Bank würde bei Trennbankensysten stark schrumpfen“ – Handelsblatt, 18.10.2011
- „Kochrezepte aus Amerika bedrohen Deutsche Bank“ – Handelsblatt, 18.10.2011
- „Ökonomen streiten über Zerschlagung von Banken“ – Die Welt, 18.10.2011
- „Deutschland offen für Zerschlagung von Großbanken“ – Financial Times Deutschland, 18.10.2011
- „Trennung von Investment- und Geschäftsbanken“ – Cicero, 18.10.2011
- „Entweder sparen oder spekulieren“ – Süddeutsche Zeitung, 18.10.2011
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