„Mut statt Wut“: die Mutbürger-Bewegung

Claus Leggewie, Politikwissenschaftler und Direktor des Kulturwissenschaftlichen Instituts Essen, hat ein neues Buch geschrieben: Mut statt Wut – Aufbruch in eine neue Demokratie (Edition Körber-Stiftung). Er hat dazu eine eigene Webseite eingerichtet: mutstattwut.de, u.a. mit einer Leseprobe.

Am 5. Oktober veröffentlichte der Autor in der Berliner Zeitung sowie in der Frankfurter Rundschau aus Anlass der bevorstehenden Buchvorstellung einen sehr lesenswerten Artikel zum Scheitern des Marktfundamentalismus („Kapitalismus als Abwicklungsfall“), in dem er sich u.a. mit den Thesen von Colin Crouch (Homepage beim MPI für Gesellschaftsforschung) zur Postdemokratie auseinandersetzt, aber zu anderen Ergebnissen kommt.

In einem weiteren lesenswerten Artikel in der Frankfurter Rundschau vom 15.09.2011 mit dem Titel „Chancen für Weltbürger“ tritt Leggewie angesichts der unaufhaltsam voranschreitenden Umweltzerstörung für einen neuen, solidarischen Gesellschaftsvertrag ein.

Leggewies neues Buch trifft einen Nerv der Zeit. Hier eine erste Rezension von J. Holweg für 3sat:

Steht auf und wehrt euch – Claus Leggewies „Mut statt Wut“

Der Politikwissenschaftler Claus Leggewie über die Genese einer neuen politisch-gesellschaftlichen Partizipation des Bürgertums in einer Zeit nationaler wie globaler Krisen.

Weltweite Proteste, Demonstrationen und Revolutionen gegen Autokraten wie Demokratien gleichermaßen reflektieren ein ambivalentes Verhältnis der Regierten gegenüber dem System Volksherrschaft. Den zuweil ausschreitenden Protesten in demokratisierten Staaten Europas, Ausdruck eines massiven Vertrauensverlustes in die politische Praxis der gewählten Volksvertreter, stehen revolutionäre Aufstände in der arabischen Welt gegenüber, die noch einfordern, was der europäische Bürger bereits beanstandet.

Unzufriedenheit wird mitgeteilt

So unterschiedlich Hintergrund und Motivation dabei erscheinen, haben die Bewegungen einiges gemeinsam: Sie entwachsen einer Zeit, in der nationale wie globale Krisen weitreichende und nachhaltige Entscheidungen auf allen Ebenen des persönlichen, gesellschaftlichen und politischen Seins erfordern. Im Angesicht dieses Wandels stehen immer mehr Menschen auf, um ihren individuellen wie gemeinschaftlichen Interessen und Bedürfnissen, aber auch ihrer Unzufriedenheit gegenüber der Leistungsfähigkeit etablierter politischer Instanzen Ausdruck zu verleihen.

Spross dieser neuen Protestkultur ist der Wutbürger. Er wird einerseits verhöhnt als gewaltbereiter, selbstsüchtiger Dagegen-Demonstrant, andererseits gerühmt als Repräsentant eines wachsendes gesellschaftspolitischen Verantwortungsbewusstseins und Zukunftsengagements des obrigkeitsmüden Bürgertums. Frei nach Antonio Gramsci – „Die alte Welt liegt im Sterben, die neue ist noch nicht geboren: Es ist die Zeit der Monster“ – spiegelt das Aufbegehren der Bürgerschaften den aktuellen Wandel demokratischer Systeme, ein sich veränderndes Verständnis von Politik und eine Neudefinierung der Beziehung zwischen Regierenden und Regierten.

Emanzipationsbedürfnis wächst

Eine Demokratisierung der etablierten Demokratien, so Claus Leggewie, ist in dieser Zeit komplexer Krisen eine unumgängliche Herausforderung und das wachsende Emanzipationsbedürfnis des Bürgertums dabei notwendiges Symptom des Umbruchs. Die Frage nach dem Wie bildet die Grundlage für Claus Leggewies Zehn-Thesen-Pamphlet. Der Politikwissenschaftler analysiert anhand zahlreicher nationaler wie internationaler Aufstände das Phänomen Wutbürger und geht der Frage nach, wie sich „ausschreitender Protest für eine nachhaltige Demokratie zivilisieren lässt“, wie also letztendlich aus dem Wut- ein Mutbürger werden kann.

In seinen „Zehn Thesen zur Ermutigung“ bietet er neue Ansätze und Lösungen für Wege in eine wirkungsvolle wie nachhaltige Partizipation, deren Substanz nicht etwa brennender Widerstand gegen, sondern zweckmäßige Teilhabe an der Entwicklung gesellschaftspolitischer Entscheidungen bilden muss. Kurzum: Wie wird aus Wut am Ende: Mut?
Oktober 2011  /  J. Holweg / mm

Hier die Buchankündigung bei Perlentaucher.

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Ein Kommentar

  1. Zu zaghaft, widersprüchlich und inkonsequent

    Buchrezension zu „Mut statt Wut“ von Claus Leggewie:

    Die Piratenpartei schreibt in ihrer Präambel, dass die digitale Revolution „die Würde und Freiheit des Menschen in bisher ungeahnter(!) Art und Weise gefährdet. Dies geschieht zudem in einem Tempo, das die gesellschaftliche Meinungsbildung und die staatliche Gesetzgebung ebenso überfordert wie den Einzelnen selbst.“

    Mit einer solchen ungeheuer dynamischen Gefährdung sprechen die Piraten eine Herausforderung an, welche viel grundsätzlicher und noch weit lebensbedrohlicher auch von der Industrialisierung ausgeht. Claus Leggewie macht sich diese Herausforderung mit „Mut statt Wut – Aufbruch in eine neue Demokratie“ zum zentralen Thema. Allerdings bleibt er dabei insgesamt viel zu zaghaft, widersprüchlich und inkonsequent:

    Weiterlesen: http://www.fuehlenunddenken.de/2012/03/23/mut-statt-wut/

    Antworten

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